October Daye: Winterfluch (German Edition)
führen«, sagte sie. »Quentin wird euch dort erwarten; er kann euch bei allem helfen, was ihr braucht.«
»Abe r … «, setzte Dare mit einem Blick zu mir an.
»Keine Sorge, Dare. Hier ist es sicher«, beruhigte ich sie. »Auf Sicherheit versteht sich Schattenhügel bestens.« Das stimmte, sofern man die unschöne, nach wie vor ungelöste Tatsache verschwieg, dass Luna und Raysel ein Jahrzehnt lang verschwunden gewesen waren. »Und jetzt husc h – es ist unhöflich, Leute warten zu lassen, und Quentin ist ein Freund von mir.« Dare wollte schon wieder aufbegehren, aber Manuel brachte sie zum Schweigen, ergriff ihre Hand und zog sie mit sich, als er Lunas Geleitlicht folgte.
Sobald sie um die Ecke verschwunden waren, drehte sich Luna mir zu und fragte: »Von Devin?«
»Ja.«
»Wie lange schon?«
»Lang genug.« Ich schüttelte den Kopf. »Sie sind gute Kinder. Manue l – der Jung e – ist vernünftiger, aber ich glaube, seine Schwester steht ganz kurz davor zusammenzubrechen. Sie müssen dort weg.«
»Hast du vielleicht daran gedacht, sie hierherzubringen?«
Ich lächelte verlegen. »Ihr habt doch die Tradition, Streuner aufzunehmen.«
»Ja, die habe ich wohl«, erklärte sie und sah Connor an. Er verkrampfte sich, schwieg jedoch. Luna entließ ihn mit einem weiteren Blick aus ihrer Aufmerksamkeit und wandte sich wieder mir zu. »Ist das ein Tausch?«
»Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
Sie seufzte. »Glaubst du wirklich, ich könnte ihn nicht an dir riechen? Aber egal. Was ist passiert?«
Die Frage bedeutete, dass ich dem Thema Devin noch eine Weile ausweichen konnt e – aber nicht, wie ich sehr wohl wusste, für immer. Wenn mich Luna jetzt nicht fragte, würde Sylvester es gewiss später tun. »Können wir irgendwohin gehen? Das ist nicht gerade der vertraulichste Ort im Mugel.«
»Natürlich. Connor, trag sie.« Damit drehte sich Luna um und steuerte auf eine hellblaue Tür zu, die mir zuvor nicht aufgefallen war. Vermutlich, weil sie nicht dagewesen war. So sind Mugel.
Bevor ich Einspruch erheben konnte, hob mich Connor wieder von den Beinen. »He!«
Er grinste. »Ich befolge nur Befehle.«
Ich seufzte und kam zu dem Schluss, dass es keineswegs der Mühe wert war, sich zu wehren. Stattdessen ließ ich mich von ihm durch die Tür tragen. Dahinter befand sich ein Innengarten, der an den Hof eines alten englischen Landhauses erinnerte. Kopfsteingepflasterte Pfade wanden sich um moosbewachsene Steinblöcke, während wild wachsende Rosen und Geißblätter sich bemühten, fein gearbeitete Marmorstatuen zu überwuchern. Luna führte uns zu einem Platz zwischen zwei Hecken, wo Klee und Butterblumen den Boden wie ein Teppich überzogen. »Bitte setz sie ab.«
Connor senkte mich vorsichtig in eine sitzende Haltung. Ich lehnte mich auf die Hände zurück und grub die Finger in den Klee. Luna kniete sich neben mich.
»Diesen Garten habe ich noch nie gesehen«, stellte ich fest.
»Ich habe ihn angelegt, während du weg warst, zum Gedenken an meine Gefangenschaft und deinen Tod. Nun, da wir beide wieder zu Hause sind, weckt er angenehmere Assoziationen.« Sie musterte mich mit strengem Blick. »Du blutest.«
»Ich habe mir eine Narbe aufgerissen.« Ich zog den Stoff meiner Bluse beiseite, um den schmalen Riss zu enthüllen, der sich mitten durch die Narbe an meiner Schulter zog.
Luna runzelte die Stirn und streckte die Hand aus, um die Stelle mit ihren zierlichen Fingern zu berühren. »Das ist frischer, als es aussieht. Und die Wunde wurde von Eisen verursacht.«
»Mit beidem hast du recht.«
»Wessen Idee war es, dich zur Luidaeg zu bringen?«
Ich erstarrte. »Wie könnt Ih r … ?«
»Ich habe ihre Arbeit schon ein- oder zweimal gesehen. Das war sie doch, oder?«
»Ja.« Luna kannte die Luidaeg? Ich glaube, ich hätte es wissen müsse n – beide lebten schließlich seit Jahrhunderten im Gebiet der Bucht. Dennoch empfand ich die Vorstellung irgendwie als erschütternd. Ich konnte mir nicht vorstellen, welche Situation sie je zusammengeführt haben konnte.
»Natürlich.« Sie holte eine Mullbinde aus einer Tasche ihres Rocks hervor und reichte sie mir. »Verbinde dich.« Als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkte, fügte sie hinzu: »Wenn man so viel mit Rosen arbeitet wie ich, gewöhnt man sich an, Verbände dabeizuhaben.«
»Verstehe«, sagte ich und begann, mir linkisch die Schulter zu verbinden.
Luna ließ keinerlei Anzeichen erkennen, mir helfen zu wollen, sondern wartete, bis ich den
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