October Daye: Winterfluch (German Edition)
nicht zu sehen, als meine Schwestern und ich geboren wurden. Die Jahreswende hatte sich vollzogen: Er war fort und tändelte mit seiner hübschen Sommerkönigin herum. Und weder er noch sie krümmten einen Finger, als ihre Kinder, ihre vollkommenen, ach so schönen Kinder anfingen, uns wie Hunde zu jagen. Schließlich waren wir die Töchter meiner Mutter, nicht die Titanias. Damit konnte man sie nicht belästigen.« Ihr Lächeln wirkte schmal und verbittert. »Sein Gesetz wurde zu spät für uns erlassen.«
»Sie sind Maeves Tochter.« Sie war eine der Erstgeborenen, eine der ältesten Bewohnerinnen von Faerie, ein Teil unserer Grundfesten und unserer Anfänge. Sie sollte tot oder verschollen sein, aber nicht in einer billigen Mietwohnung meiner Heimatstadt Cola Light trinken.
Die Luidaeg lächelte matt. »Und du bist Amandines Tochter. Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis ein Mitglied jener Linie sich wohl die Mühe macht, mich aufzuspüre n – wenn ich auch gestehen muss, dass dein Blut etwas dünner ist, als ich dachte. Sie hat wohl versucht, die Dinge selbst zu richten, wie? Hirnlos war sie schon immer. Liegt wohl in der Familie.« Sie schlürfte wieder von ihrem Getränk. »Jetzt weißt du, was ich bin.«
»Sie sind kein Monster.«
»Ich war nah genug dran, um ins Reich der Märchen zu gehören.« Die Luidaeg schüttelte den Kopf, und mir wurde klar, dass ich tiefer geblickt hatte, als sie erwartet hatte. Interessant. »Genug davon, ich bin es leid. Was willst du? Spuck’s aus oder verschwinde.«
»Sie haben mich geheilt.«
»Und?«
»Ich weiß, dass Sie es nicht aus Herzensgüte getan haben.«
»Ich hasse Schulden.«
»Haben Sie den Fluch geschmeckt?«
»Fluch?« Sie grinste. »Du meinst diese garstige Bindung, mit der dich die Winterrose geschlagen hat? Oh ja, die habe ich geschmeckt. Das ist eine der fieseren Arbeiten, die ich in diesem Jahrhundert gesehen habe. Dabei hat sie wirklich alle Register gezogen. Sie war schon immer ein arglistiges Miststück.«
»Gibt es einen Ausweg?«
»Sicher. Erfüll die Verpflichtung.«
»Gibt es noch eine andere Möglichkeit?«
»Was denn, war der Auftrag nicht deutlich genug für dich?« Sie räusperte sich. Als sie wieder das Wort ergriff, ertönte Evenings Stimme, barsch und grausam. »Finde die Antworten, October Daye. Finde die Gründe und diejenigen, die dies verursacht haben, oder finde nur den Tod.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie mit ihrer eigenen Stimme fort. »Die Winterrose war in dem, was sie tat, recht geschickt. Es gibt kein Schlupfloch.«
Das war genau das, was ich nicht hören wollte. »Also bin ich gefangen.«
»Jep.« Sie setzte sich auf einen wackligen Stuhl und schlug die Beine übereinander. »Ich kann mir bloß nicht zusammenreimen, wie sie dich dazu gebracht haben mag, ihr Blut zu trinken. Hättest du das nicht getan, wäre die Bindung nicht annähernd so stark geworden.«
Ich zuckte zusammen. Es hatte keinen Sinn, nun zu lügen. »Eigentlich habe ich das aus freien Stücken getan.«
Die Luidaeg blinzelte. »Du warst ganz allein so dumm? Wunderbar. Amandines Linie wird von selbst aussterben. Ich brauche keinen Finger dafür zu rühren.«
»Ich wusste es nicht«, protestierte ich und prägte mir ihre Randbemerkung für spätere Überlegungen ein.
»Dass du verflucht wurdest? Ja, so etwas hätte ich auch nicht bemerkt.«
»Nein, dass sich der Fluch durch das Trinken ihres Blutes verstärken würde.«
»Euch Kindern wird einfach nichts mehr beigebracht.« Sie trank einen ausgiebigen Schluck von ihrer Cola Light. »Zu meinen Zeiten hättest du nie so lange überlebt, ohne zu wissen, wie man seine Feinde von innen nach außen verrotten lässt.«
»Das ist aber mal ein schönes Bild.«
»Finde ich auch. Was willst du? Ich kann keinen Fluch brechen, der von der Winterrose gewoben wurde. Das ist gegen die Regeln.«
»Ich will Informationen.«
Das schürte ihr Interesse. Sie richtete sich auf und strich sich das Haar mit einer Hand zurück, die zu glitzern schien. Ihr gesamter Körper begann zu schimmern, als überzöge ihn eine Ölschicht. Die Veränderungen waren zunächst kaum zu merken, aber sie vollzogen sich stetig, als sie ihre menschliche Tarnung abstreifte. Beinah fürchtete ich, was darunter zum Vorschein kommen mochte. »Informationen, wie? Du solltest aber wissen, dass meine Dienste nicht billig sind.«
»Das ist kein Problem.«
»Was kannst du mir geben?«
Ich verlagerte den Rosenkobold auf
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