Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
Vom Netzwerk:
wartete. »Mal sehen, wie viel Katzenfutter ihr noch bekommen werdet, nachdem wir rausgeworfen wurden, weil ich die Miete nicht zahlen konnte.« Keine meiner magischen Fähigkeiten war stark genug, um den Vermieter glauben zu lassen, ich hätte ihn bezahlt. Wenn ich ihm auch nur den geringsten Anlass gäbe, säße ich vor der Tür. Noch bevor ich mir einen Karton als neuen Unterschlupf suchen könnte, würde er ein glückliches Paar in meiner früher mal mietpreisgeregelten Wohnung einquartieren. Und Evening würde meine Unterkunftssituation kein zweites Mal regeln.
    Der Nebel in meinem Kopf lichtete sich, während ich aß, und als ich mein zweites Ei auf Toast und meine dritte Tasse Kaffee intus hatte, fühlte ich mich fast schon wieder wie ich selbst. Ich stellte das Geschirr ins Spülbecken und zerzauste mir mit einer Hand das Haar, dann ging ich zum Schlafzimmer zurück. Das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte immer noch. Ich wartete noch.
    »Wahrscheinlich ist es Stacy, es könnte aber auch die Arbeit sein«, dachte ich laut nach. »Wenn es die Arbeit ist, bedeutet das vermutlich, dass ich an meinem freien Tag anrücken soll. Das würde aber auch heißen, dass mehr Geld übrig bliebe, nachdem ich die Miete bezahlt habe. Na, Leute? Irgendeine Meinung dazu?«
    Die Katzen antworteten nicht. Darin sind Katzen gut. Dass sie nichts erwiderten, ersparte es mir, meine geheime, beharrliche Fantasie erklären zu müssen, die jedes Mal erwachte, wenn der Anrufbeantworter blinkte, nämlich die Hoffnung, Gillian könnte meine irgendwo auf dem Schreibtisch ihres Vaters vergessene Telefonnummer gefunden und beschlossen haben, Kontakt mit der Mutter aufzunehmen, die sie seit vierzehn Jahren nicht gesehen hatte. Es würde zwar nie geschehen, aber immerhin war es ein wundervoller Traum.
    Was sollte e s – ich brauchte das Geld; meine Gläubiger konnten mir schon mit nichts mehr drohen, was ich nicht schon einmal gehört hatte. Wenn es Stacy wäre, könnte ich die Nachricht einfach löschen. Ich lehnte mich an die Wand, nippte an meinem Kaffe und drückte die Wiedergabetaste.
    Der Lautsprecher knisterte. Eine tonlose, mechanische Stimme verkündete: »Sie haben drei neue Nachrichten.« Darauf folgte ein schriller Piepton. Ich zuckte zusammen und griff nach dem Lautstärkeregler, um den Ton leiser zu stellen. Ich war noch dabei, die Hand auszustrecken, als die Wiedergabe begann, und nun vergaß ich alles außer der Nachricht.
    »October, hier spricht Evening. Ich glaube, ich könnte ein Problem haben. Tatsächlich bin ich nahezu davon überzeugt.« Ihr Tonfall wirkte abgehackt und verkniffen, wegen einer unbekannten Sorge. Sie klang zwar immer etwas verhalten, aber das war neu; ich hatte noch nie erlebt, dass sie sich verängstigt anhörte. Bei den meisten Reinblütlern bedarf es schon einer ganzen Menge, um ihnen Furcht einzuflößen. Es bedarf aber noch einer ganzen Menge mehr, um jemanden zu verängstigen, der selbst so furchteinflößend ist wie Evening.
    »Evening?« Ich richtete mich auf.
    Evening war nicht bloß jemand, die ich anrief, damit sie mich aus Gefängniszellen holte; sie war die Gräfin eines der kleineren Lehen von San Francisco und manchmal auch eine Freundin. Manchmal deshalb, weil sie und ich sehr unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was »gesellschaftliche Rangordnung« bedeutet. Ihrer Ansicht nach gestattete ihr diese, mich herumzukommandieren, weil sie ein Reinblut war und ich nicht. Das sah ich allerdings anders. Deshalb hassten wir uns die halbe Zeit, die andere Hälfte jedoch verbrachten wir damit, einander beim Überleben zu helfen. Ich fand den Mann, der ihre Schwester getötet hatte, und wusch ihren Namen rein, als man sie beschuldigte, hinter der Zerstörung des Hofs der Königin zu stecken; sie hinterlegte eine Kaution für mich, als ich mich der Herzogin von Traumglas gar zu beharrlich an die Fersen heftete. Wenn es außer Sylvester ein Reinblut gab, dem ich mein Leben anvertraut hätte, dann war das sie.
    Trotzdem verfluchte ich sie, weil ihre Nachricht mein Interesse erweckte.
    »Wenn du da bist, dann bitte, bitte geh ans Telefon. Es ist wirklich wichtig, dass ich sofort mit dir rede. Ruf mich an, sobald du kannst. Und Octobe r … « Sie verstummte kurz. »Vergiss es. Beeil dich einfach.« Damit legte sie auf, doch ich hätte schwören können, sie weinen zu hören, bevor sie es tat.
    Die zweite Nachricht begann gleich darauf, bevor ich mich bewegen oder auch nur Luft holen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher