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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die ich hatte offen stehen lassen. Feine Nebelschwaden krochen über die Schwelle
und wandten sich um den Türstock wie die Finger eines blinden Gespensts. Eine menschliche Gestalt war dort jedoch noch nicht aufgetaucht.
    Annamaria schlüpfte auf den Rücksitz, und ich folgte ihr. Ich versuchte, die Tür so zuzuziehen, dass sie nicht zuschlug. Das gelang mir auch, wenngleich sie mehr Lärm machte, als mir lieb war. Die Innenbeleuchtung ging aus.
    Der Mercedes war mindestens zwanzig, fünfundzwanzig Jahre alt und stammte aus einer Zeit, als man in Deutschland noch große, kantige Modelle baute, ohne sich um die Aerodynamik zu scheren. Deshalb waren wir ohne weiteres in der Lage, uns so hinzulegen, dass man uns von außen nicht mehr sah.
    Ein perfekter Zaubertrick war das zwar nicht, aber doch etwas Ähnliches. Schließlich erwarteten unsere Verfolger, dass wir geflohen waren, und die offene Seitentür war ein Hinweis darauf.
    Vom Jagdfieber ergriffen, würden die Kerle meinen, sie seien uns direkt auf den Fersen. Deshalb kamen sie hoffentlich nicht auf die Idee, dass wir es riskierten, uns an einem derart sichtbaren Ort zu verstecken.
    Natürlich war es durchaus möglich, dass sie die offene Tür mit dem hereinschleichenden Nebel ein wenig zu offensichtlich fanden. Dann durchsuchten sie die Garage, und wenn sie das taten, waren wir geliefert.
    Es handelte sich schließlich nicht um Trottel, sondern um ernsthafte Zeitgenossen. Wenn Annamaria Recht hatte, was ich nicht bezweifelte, dann planten sie massenhaft Tod und Zerstörung, und für so etwas muss man definitiv äußerst ernsthaft sein.

16
    Auf den Rücksitz des Mercedes gekauert, erlebten wir eine jener extremen Stresssituationen, auf die ich schon zu sprechen kam. Ihr erinnert euch: In solchen Momenten kann meine Fantasie sich verhalten wie ein mit grotesken Biestern bestücktes Karussell, das eine schaurige Vision nach der anderen in die Gegend schleudert.
    Wurden wir entdeckt, dann konnten die Kerle uns durchs Fenster hindurch erschießen. Sie konnten auch die Türen aufreißen und uns aus nächster Nähe erschießen. Und sie konnten die Türen verbarrikadieren, den Wagen anzünden und uns bei lebendigem Leib rösten.
    Schlimmer noch: Egal, wie sie mit uns umsprangen, wir starben mit Sicherheit nicht so rasch wie in den drei beschriebenen Szenarios. Schließlich mussten sie erst herausbekommen, wer wir waren und was wir über ihre Pläne wussten.
    Folter. Sie würden uns foltern. Zangen, scharfe Messerklingen, Nadeln, glühende Schürhaken, Nagelpistolen, an die Zunge angesetzte Knoblauchpressen. Bleichmittel, das blind machte, ätzende Säuren, unangenehm schmeckende Elixiere, Zigarettenrauch. Solche Typen waren bestimmt begeisterte Folterknechte. Sie würden erbarmungslos sein und es so sehr genießen, dass sie Videoaufnahmen von unserem Leiden machten, um diese später ihren begeisterten Müttern vorzuspielen.

    Ich hatte Annamaria zwar versichert, bereit zu sein, für sie zu sterben, und das stimmte auch, aber damit verbunden war auch das stillschweigende Versprechen, dass ich sie nicht in ihren Tod führte, bevor ich für sie starb. Zumindest nicht innerhalb einer Stunde, nachdem ich ihr feierlich geschworen hatte, ihr Beschützer zu sein.
    Jemand knipste die einzelne Glühbirne an der Garagendecke an. Da der Wagen mit der Schnauze zur Rückwand hin parkte, war unser Versteck so weit von der Treppe entfernt wie irgend möglich. Deshalb war das Licht zu schwach, um bis in unseren dunklen Zufluchtsort vorzudringen.
    Auf die Schallschutzeigenschaften ihres Fahrzeugs konnten die Konstrukteure von Daimler-Benz stolz sein. Falls jemand in der Garage herumstöberte und zum Beispiel irgendwelche Schranktüren öffnete, hörte ich ihn nicht.
    Lautlos zählte ich sechzig und noch einmal sechzig Sekunden ab. Dann wiederholte ich das ein drittes Mal.
    Die Zeit unseres selbst gewählten Arrests abzuzählen, machte mich ungemein nervös, weshalb ich damit aufhörte und einfach abwartete. Dabei versuchte ich, mir keine Foltermethoden mehr auszumalen.
    Das Innere des alten Mercedes roch nach abgenutztem Leder, mit Menthol versetzter Politur, Parfüm mit Gardenienduft, Katzenhaaren und Staub.
    Ich spürte einen Niesreiz. Wie ein alter Zen-Mönch versuchte ich meditierend, den Reiz in ein Jucken zwischen den Schulterblättern zu verwandeln, was erträglicher gewesen wäre. Als das nicht klappte, nahm ich statt der Schulterblätter einen gutartigen Dickdarmpolypen.
    Auch

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