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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mich zu beachten, sagte sie zu den Kojoten: »Ich gehöre euch nicht. Er gehört euch auch nicht. Ihr werdet jetzt gehen.«
    Mancherorts werden Kojoten als Präriewölfe bezeichnet, was sich viel hübscher anhört, aber selbst wenn man sie als Kuscheltiere bezeichnen würde, wären sie nicht besonders kuschelig.
    »Ihr werdet jetzt gehen«, wiederholte Annamaria. Erstaunlicherweise schienen die Raubtiere ihr Selbstvertrauen einzubüßen. Ihre Nackenhaare legten sich, und sie bleckten auch nicht mehr die Zähne.
    »Los!«
    Nicht mehr bereit, Annamaria in die Augen zu schauen, stellten die Tiere die Ohren auf und drehten den Kopf nach links und rechts, als fragten sie sich, wie sie wohl hierhergelangt waren und weshalb sie so tollkühn gewesen waren, dieser gefährlichen werdenden Mutter entgegenzutreten.
    Mit zuckendem Schwanz zogen sie den Kopf ein, blickten
belämmert nach hinten und zogen sich in den Nebel zurück. Offenbar fühlten sie sich so rüde gemaßregelt, dass sie nun nicht mehr recht wussten, ob sie noch kraftvoll zubeißen konnten.
    Annamaria ließ es zu, dass ich sie wieder am Arm nahm, und so gingen wir weiter durch den schmalen Park.
    Nachdem ich eine Weile fruchtlos überlegt hatte, was wohl gerade geschehen war, sagte ich: »Du sprichst also mit Tieren.«
    »Nein. Das hat nur so ausgesehen.«
    »Du hast gesagt, die Biester wären nicht nur das, wonach sie aussehen würden.«
    »Tja, wer ist das schon?«, zitierte sie mich, was nicht ganz so eindrucksvoll klang wie eine Stelle aus dem Werk Shakespeares.
    »Was waren sie denn … abgesehen von dem, wonach sie aussahen?«
    »Das weißt du schon.«
    »Eigentlich ist das keine Antwort.«
    Sie sagte: »Alles zu seiner Zeit.«
    »Das ist ebenfalls keine Antwort.«
    »Es ist, was es ist.«
    »Jetzt habe ich endlich begriffen.«
    »Noch nicht. Aber das kommt schon.«
    »Ich habe zwar nirgendwo ein weißes Kaninchen gesehen, aber wir sind wohl wie Alice aus der Welt ins Wunderland gefallen.«
    Sie drückte meinen Arm. »Die Welt ist selbst ein Wunderland, wie du wohl weißt, junger Mann.«
    Zu unserer Rechten schlichen die Kojoten neben uns dahin, nur ab und zu als dunkle Schatten sichtbar. Ich machte Annamaria darauf aufmerksam.

    »Ja«, sagte sie, »die werden hartnäckig sein, aber wagen sie es, zu uns herüberzuschauen?«
    Während wir weitergingen, beobachtete ich die Tiere eine Weile, sah aber nicht einen einzigen Moment ein gelbes Auge im Dunkeln aufblitzen. Offenbar richteten sie den Blick unverwandt auf den Boden vor ihrer Schnauze.
    »Wenn du mit einem Rudel Kojoten fertigwerden kannst«, sagte ich, »dann brauchst du mich vielleicht gar nicht.«
    »Auf Menschen habe ich keinen Einfluss«, sagte sie. »Wenn die mich foltern und umbringen wollen und entschlossen sind, meine Widerstandskräfte zu brechen, dann werde ich leiden. Aber Kojoten - selbst wenn sie so hungrig sind wie die da - machen mir keine Angst, und du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen.«
    »Du scheinst zu wissen, wovon du sprichst«, sagte ich. »Aber ein wenig Sorgen werde ich mir wegen der Biester da doch machen.«
    »Tugend ist kühn und Güte ohne Furcht.«
    »Shakespeare, was?«, fragte ich.
    »Maß für Maß.«
    »Das Zitat kenne ich noch nicht.«
    »Jetzt schon.«
    So sehr ich den Mann aus Stratford bewunderte, ich hatte durchaus den Eindruck, dass Güte sich vor den im Nebel dahinschleichenden Gestalten fürchten sollte, wenn Güte es vermeiden wollte, gekaut und verschlungen zu werden.

19
    Wir waren noch ein ganzes Stück von der Höhle des glücklichen Monsters entfernt, als unsere dahinschleichenden Begleiter in den Nebelschwaden verschwanden und sich nicht wieder blicken ließen. Ich hatte allerdings den Verdacht, dass wir sie nicht zum letzten Mal gesehen hatten.
    Das Haus stand allein am Ende einer engen Straße, deren Asphalt rissig und von Spalten durchzogen war. Riesige Himalaya-Zedern bildeten eine Allee; auf ihren herabhängenden Ästen schien der Nebel zu lasten wie nasser Schnee.
    Mit seinem Reetdach samt Mansardenfenstern, den mit Zedernschindeln verschalten Wänden, den an der Dachkante rankenden Trompetenblumen und einem mit Bougainvillea bewachsenen Gartentor hätte das rustikale Gebäude aus einem romantischen Gemälde von Thomas Kinkade stammen können.
    Wie neugierige Gespenster drückten sich fahle Nebelschwaden an die Fenster, um hineinzuspähen und herauszufinden, ob die Zimmer drinnen wohl zum Spuken taugten.
    Hinter den Phantomen glomm ein

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