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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Aluminiumrahmen ihrer Milchglastür war mit weißem Kalk verkrustet.
    Rechts stand eine Badewanne, und in der Wanne lag ein toter Körper, der einmal der Lampenmann gewesen war.
    Der Schock einer solchen Entdeckung wäre der ideale Augenblick für einen Angriff gewesen. Als ich mein Spiegelbild musterte, sah ich mit Erleichterung, dass hinter mir niemand im Schlafzimmer aufgetaucht war.
    Da ich mich mit einer Leiche in einem so kleinen Raum befand, wollte ich mehr Licht haben, als die Taschenlampe lieferte. Das einzige Fenster im Bad war von einer Jalousie verdeckt, weshalb ich es wagte, die Deckenlampe einzuschalten.
    Sam Whittle war im Sitzen gestorben. Er war in dieser Position verblieben, weil sein Hemdkragen am Heißwasserhahn eingehakt war. Der Kopf hing nach links.
    Sein Mund war mit Klebeband verschlossen, und die Wangen waren ein wenig ausgebeult. Man hatte ihn geknebelt, weil man ihn offenbar nicht sofort umgebracht hatte.

    Die Handgelenke waren vor dem Körper mit Klebeband gefesselt, und die schuhlosen Füße waren an den Knöcheln auf dieselbe Weise aneinandergebunden.
    An den riesigen Blutflecken war zu erkennen, dass man ihm einmal in jedes Bein und einmal in jeden Arm geschossen hatte. Wahrscheinlich hatte er sich danach gewunden wie ein sterbender Wurm, bis er schließlich durch einen Schuss in die Stirn endgültig erledigt worden war.
    Ein Bluterguss hatte das linke Auge verdunkelt, doch das rechte starrte mich weit aufgerissen an. Es drückte den Unglauben aus, mit dem er seinen Mörder betrachtet hatte. Offenbar hatte er den Tod nicht in Gestalt dessen erwartet, dem er zum Opfer gefallen war.
    Egal, wie viele Leichen man schon entdeckt hat - und ich habe mehr entdeckt als jeder andere Grillkoch -, der Anblick schärft sofort den Geist, strafft die Nerven und spitzt den Instinkt an.
    Bald drei Minuten.
    Als ich erneut in den Spiegel blickte und hinter mir einen Mann sah, duckte ich mich, wirbelte herum und schlug zu.

21
    Der Schlag traf, zeigte jedoch keine Wirkung, denn der Mann hinter mir war Sam Whittle, auf den man fünfmal geschossen hatte. Sein von Kugeln durchsiebter Körper saß in der Badewanne, während sein auf dieser Welt gebliebener Geist mich nicht bedrohte, sondern anflehte.
    Obwohl er mir ohne die Schusswunden erschienen war, stand er in einem Zustand höchster Erregung vor mir. Er stellte jedoch keineswegs den Zorn zur Schau, der einen potenziellen Poltergeist kennzeichnet. Die Verzweiflung, die ihn ergriffen hatte, war so stark, dass er keine emotionale Fähigkeit zum Zorn mehr besaß.
    Er griff nach mir. Scheinbar fühlte ich mich so körperhaft an, wie er sich anfühlte, und doch konnte er mich nicht am Hemd packen. Auch als seine Hand sich um meinen Nacken schloss, gelang es ihm nicht, meinen Kopf zu sich zu ziehen, um mich zu zwingen, ihn zu beachten.
    Obwohl er durch Wände, geschlossene Türen und alles, was auf dieser Welt Substanz hatte, hindurchgleiten konnte, tat er das bei mir nicht. Genauso wenig konnte er mir jedoch auch nur ein Härchen krümmen. Da ich ihn sehen und spüren konnte, kam er mir so real vor wie sonst niemand anderem auf der Welt, und dennoch hatte Sam Whittle keinerlei physische Wirkung auf mich.
    Als er seine Einschränkungen erkannte, begann Whittle
flehentlich zu sprechen, brachte jedoch keinen Laut hervor. Vielleicht hörte er sich selbst und meinte deshalb, ich könne ihn auch hören, denn ich musste ihm erklären, dass seine Stimme mich nicht erreichen konnte, ganz gleich, mit welcher Kraft er brüllte.
    Ich vermute, auf der Erde verweilende Geister werden am Sprechen gehindert, weil sie vollständig über die wahre Natur des Todes Bescheid wissen und zudem zumindest ein wenig von dem erfahren haben, was sich jenseits dieser Welt befindet. Dieses Wissen könnte uns Lebende durcheinanderbringen und uns auf die eine oder andere Weise in die Irre leiten, wenn wir es empfangen würden.
    Mangels Sprechvermögen steigerte sich Whittle in einen noch hektischeren Zustand der Verzweiflung. Er trat an mir vorbei ins Badezimmer und stellte sich vor seine Leiche. Dort schlug er sich mit den Fäusten an Brust und Schläfen, als wollte er argumentieren, er würde sich selbst spüren und könne deshalb nicht glauben, dass er in Wirklichkeit nur eine entkörperlichte Seele war.
    Wild blickend sah er sich im Zimmer um, als suchte er einen Fluchtweg, eine Tür, die ins Leben zurückführte. Sein Gesicht verzog sich zu einem Mienenspiel, das immer verzweifelter

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