Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
vorgesehen.«
»Die Träume sind bruchstückhaft und manchmal eher symbolisch statt voll echter Einzelheiten. Wo will man die Bomben denn einsetzen?«
»Wo es Wirkung zeigt«, sagte der Chief. »In Großstädten und erst in ein paar Wochen. Alle am selben Tag. Wir schaffen die Dinger nur an Land und verteilen sie. In großen Hafenstädten
oder Flughäfen kann man so was nicht durchziehen, da gibt es überall Strahlungsdetektoren.«
Nun wurde mir bewusst, was mir unterschwellig schon die ganze Zeit im Kopf herumgegangen war: In Magic Beach war noch kein einziger Bodach aufgetaucht. In meinen anderen Manuskripten habe ich bereits über diese Wesen berichtet, die ich ebenso sehen kann wie die Geister der zögerlichen Toten. Sie sind pechschwarz, haben keine richtigen Gesichtszüge und können ihre Form verändern, so dass sie durch ein Schlüsselloch oder den Spalt unterhalb einer Tür gleiten können. Sie schleichen dahin wie Katzen, kommen mir aber eher wölfisch vor.
Ich glaube, es sind übersinnliche Vampire, die über die Zukunft Bescheid wissen. Sie schwärmen an Orten aus, wo sich bald grausame Gewalttaten oder Naturkatastrophen ereignen werden. Dabei machen sie den Eindruck, als würden sie sich von menschlichem Leid ernähren, weil sie darauf mit fiebriger Ekstase reagieren.
Weil ich noch keinen Bodach gesehen hatte, hätte mir eigentlich schon klar sein müssen, dass die geplante Gräueltat anderswo stattfinden sollte. Bestimmt schwärmten bereits Scharen der gespenstischen Wesen durch die vorgesehenen Städte, um sich dort an der Aussicht auf Tod und Elend zu weiden.
Während Shackett sich erhob, sagte ich: »Gut für mich, dass ich einen Preis hatte. Es hört sich nämlich ganz so an, als würde in diesem schönen Land bald niemand mehr leben wollen.«
»Hm. Was denkst du darüber?«
Ich wusste nicht recht, welcher der drei Hoss Shacketts mich momentan betrachtete.
Um die Brutalität des Sadisten, den Größenwahn des Politikers und die Bitterkeit beider zu befriedigen, erfand ich etwas,
das beide Aspekte dieser kranken Persönlichkeit glauben konnten. Eingedenk des Rats, den ich Hutch gegeben hatte, bemühte ich mich, nicht zu übertreiben, damit es echt klang.
»Man hat mich belogen, was die Wirkungen der Droge angeht. Ich würde dadurch zwölf bis achtzehn Stunden lang hellseherische Fähigkeiten bekommen, haben sie gesagt, aber sie wussten, das stimmt nicht. Eine Dosis reicht aus, um für immer verändert zu sein. Ich kann kaum eine Nacht mehr ruhig schlafen. Visionen, Alpträume, die lebhafter sind als die Realität. Ich sehe ständig neue Möglichkeiten, wie die Hölle auf Erden eintritt. Manchmal kann ich dabei nicht aufwachen und bin diesem Horror stundenlang ausgeliefert. Wenn ich schließlich doch aufwache, ist mein ganzes Bett von Schweiß getränkt. Ich schwimme regelrecht darin. Mein Hals ist rau, weil ich im Schlaf ständig geschrien habe.«
Während dieses ganzen Monologs hatte ich dem Chief ins Gesicht geblickt, um demonstrativ meine Ehrlichkeit zur Schau zu stellen. Schurken wie er waren oft leicht in die Irre zu führen, weil sie schon so lange Zeit damit verbracht hatten, andere Menschen zu täuschen, dass sie nicht mehr erkannten, was Wahrheit war und was Betrug.
Nun hob ich den Blick zur Decke, als sähe ich dahinter eine ganze Nation, die mich missbraucht hatte. Mit jedem Satz wurde meine Stimme leiser und weniger emotional, während meine Worte immer anklagender wurden.
»Erst haben sie mich also angelogen, und nun behaupten sie, wenn ich fünf Jahre lang für sie arbeite, dann geben sie mir das Gegengift. Ich glaube aber gar nicht, dass es eines gibt. Die lügen nicht nur, um sich Vorteile zu verschaffen, sondern einfach so zum Spaß. Aus fünf Jahren würden zehn werden. Von mir aus können die alle zum Teufel gehen.«
Ich sah dem Chief wieder in die Augen.
Er schwieg, offenbar nicht, weil er sich hinters Licht geführt fühlte, sondern weil er beeindruckt war.
Schließlich handelte es sich um einen Kerl, der sein Land an Terroristen verkauft hatte. Er war damit einverstanden, dass Millionen Unschuldige in einem atomaren Inferno starben und weitere Millionen in dem Chaos, das den Explosionen folgen würde. Ein Mann, der so etwas für richtig hielt, war jemand, der alles glauben konnte, selbst meine kleine Science-Fiction-Story.
»Du kannst gut hassen, Junge«, sagte er schließlich. »Mit so was kommst du weit im Leben.«
»Wie läuft es jetzt weiter?«
»Ich
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