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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schon. Wir haben mit zwei Trucks angefangen und uns nie gescheut, uns die Hände schmutzig zu machen. Am Ende hatten wir eine ganze Flotte und haben für sechs Orte an der Küste den Müll entsorgt. Das Zeug ist wie der Sonnenaufgang - es kommt immer wieder.«
    »Wie wahr!«
    »Wenn man eine Arbeit macht, die andere nur ungern anrühren, kann man reich werden. Für uns war der Müll pures Gold.«
    »Wenn es im Restaurant richtig voll ist«, sagte ich, »kann es für einen Grillkoch ganz schön stressig werden.«
    »Das will ich nicht bezweifeln.«
    »Deshalb habe ich mir überlegt, ob ich in den Reifen- oder Schuhhandel überwechsle. Wie steht es mit dem Müllgeschäft? Ist es stressig?«
    »Das Management manchmal schon. Für die Fahrer ist es jeden Tag dasselbe, also wird es mit der Zeit wie Meditation.«

    »Wie Meditation, und dabei doch so nützlich. Klingt wirklich gut.«
    »Vor sieben Jahren ist Fred gestorben, und zwei Jahre später habe ich das Geschäft verkauft. Aber wenn du willst, Junge, kann ich dir in der Müllwelt noch allerhand Türen öffnen.«
    »Sehr freundlich, Ma’am. Vielleicht komme ich eines Tages darauf zurück.«
    »Du wärst ein guter Müllmann. Den Job darf man nicht geringschätzen, sonst taugt man nichts darin. Ich merke, dass du nichts und niemanden geringschätzt.«
    »Vielen Dank. Also, weshalb ich vorher gefragt habe, ob Sie Krankenschwester sind … das lag daran, dass Sie die Kranken und Leidenden erwähnt haben.«
    Wie an ein GPS-Gerät angeschlossen, bog Birdie nach links in eine weiße Wand ab. Der Cadillac glitt durch einen neuen Kanal.
    Sie blickte zu mir herüber, wandte die Aufmerksamkeit wieder der unsichtbaren Straße zu, rückte mit einer Hand ihren Federhut zurecht und warf mir noch einen Blick zu. Dann fuhr sie an den Straßenrand und stellte den Schalthebel auf Parken.
    »Harry, etwas an dir ist anders. Ich kann das nicht so laufen lassen wie sonst. Hab das Gefühl, ich sollte gleich zur Sache kommen und dir sagen, dass ich nicht zufällig auf dich gestoßen bin.«
    »Ach nein?«
    Sie ließ den Motor laufen, schaltete jedoch die Scheinwerfer aus.
    Der Nebel schmiegte sich so eng an den Wagen, dass es mir vorkam, als ruhten wir am Grund des Meeres.
    »Ich habe ein Stechen gespürt, bevor ich auf dich getroffen
bin«, sagte Birdie. »Da dachte ich, das ist wieder so jemand wie Nancy mit ihrem Krebs oder wie Bodi Booker, der sich noch eine heiße Schokolade macht, bevor er sich umbringen will.«
    Sie schwieg, und da sie offenbar eine Reaktion erwartete, sagte ich schließlich: »Ma’am, vielleicht ist mir der ganze Nebel in den Kopf gestiegen. Jedenfalls habe ich nicht die leiseste Ahnung, was Sie mir da gerade erzählt haben.«
    »Weißt du, was ich glaube?«, fragte sie. »Du sitzt noch wesentlich tiefer in der Tinte als damals Swithin, den seine Freundin ausgenommen hatte.«

32
    Birdie Hopkins zog ihre weißen Handschuhe aus. Den einen streifte sie über den Knauf des Schaltknüppels, den anderen über den Blinkerhebel, so dass der Cadillac mir zuzuwinken schien.
    »Achtundsiebzig Jahre bin ich jetzt alt und habe manchmal trotzdem noch Hitzewallungen. Aber inzwischen geht es um etwas anderes. Es hat mit diesem Stechen zu tun.«
    Aus der großen Handtasche, die auf dem Sitz zwischen uns stand, zog Birdie einen japanischen Fächer, klappte ihn auf und fächelte sich das rundliche Gesicht.
    »Angefangen hat es, nachdem Fred gestorben war.«
    »Also vor sieben Jahren«, sagte ich.
    »Da hast du jemanden lieb, seit du neunzehn Jahre alt bist, und dann ist er am einen Tag so wie immer und am nächsten tot. So viele Tränen, als würden sie etwas aus dir herausspülen und eine Leere hinterlassen.«
    »Jemanden zu verlieren, das ist das Härteste«, hörte ich mich sagen. »Aber es ist auch die Lektion, die am schwersten zu ignorieren ist.«
    Die fächelnde Hand erstarrte. Birdie betrachtete mich mit einem Ausdruck, den ich als erstaunte Zustimmung deutete.
    Weil sie offenbar auf eine Erläuterung wartete, suchte ich nach Worten, die sie vielleicht selbst gern gesagt hätte: »Trauer kann dich zerstören - oder dich zu deiner Mitte führen.
Du kannst meinen, eine Beziehung sei völlig umsonst gewesen, wenn sie mit dem Tod enden musste und du nun allein dastehst. Oder du kannst begreifen, dass jeder Augenblick darin mehr Bedeutung hatte, als du damals zu erkennen wagtest, so viel Bedeutung, dass es dir Angst gemacht hat. Deshalb hast du es einfach gelebt, hast das, woran du

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