Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Kanister mit hochgiftigen Chemikalien zu öffnen, um mich zu vernichten wie eine Kakerlake.
Bevor ich dieses simple Szenario zu einer Oper ausbauen konnte, ging die Tür erneut auf, und ich hörte eine Stimme sagen: »Mensch, was ist denn mit dir passiert?«
Die Antwort kam in der unverkennbar brummigen Stimme von Rolf Utgard: »Bin runtergefallen.«
»Wo bist du denn runtergefallen?«
»’ne Treppe«, sagte Utgard.
»Aha,’ne Treppe. Wie viele Stufen hatte die?«
»Ich hab sie nicht gezählt, du Trottel.«
»Mann, das tut bestimmt übel weh.«
Die Tür fiel zu. »Die Pläne haben sich geändert«, sagte Utgard. »Wir müssen ein paar Leuten die Kehle durchschneiden.«
34
Auf der anderen Seite des Maschinenraums, die näher war, als mir lieb sein konnte, sagte Rolf Utgard: »Hör mal, Joey, sobald wir die Dinger an Bord haben, fahren wir nicht zum Hafen zurück.«
»Was? Wieso nicht?«
»Da ist ein Typ, der uns auf die Schliche gekommen ist.«
»Was für ein Typ?«, wollte Joey wissen.
»Ein Arschloch von irgendeinem Geheimdienst.«
»Au, Mann …«
»Mach dir bloß nicht in die Hose.«
»Aber wir haben uns so gut abgesichert!«
»Wir werden ihn finden. Er ist schon so gut wie tot.«
Mit angstvoller Stimme fragte Joey: »Ist er etwa hier in Magic Beach?«
»Meinst du vielleicht, ich bin in Washington die Treppe runtergefallen?«
»Ach, das war dieser Typ?«
»Denk nicht weiter darüber nach.«
»Was ist das denn für ein Kleiderschrank, dass er jemanden wie dich so zurichten konnte?«
»Der sieht jetzt schlimmer aus als ich.«
Klugerweise verkniff ich es mir, aufzustehen, um diese Behauptung zu widerlegen.
»Wenn wir nicht zum Hafen zurückfahren«, überlegte Joey laut, »wo sollen wir denn dann hin?«
»Du kennst doch die aufgelassene Bootswerft südlich vom Rooster Point?«
»Das geht«, sagte Joey.
»Und ob das geht! Da gibt’s alles, was wir brauchen, und außerdem sind wir völlig ungestört. Wir können das Zeug da leichter ausladen als hier im Hafen.«
»Und die Lastwagen? Kennen die den neuen Treffpunkt?«
»Alles geregelt. Aber nun pass auf …«
»Ich weiß schon, was jetzt kommt«, sagte Joey.
»Um die Ladung draußen zu übernehmen, müssen wir zu fünft sein, aber so, wie die Lage an der Bootswerft ist, reichen dort drei Leute völlig aus.«
Als ich an Bord des Schleppers gegangen war, hatte ich mir wegen zweier Dinge große Sorgen gemacht. Das eine war die Frage, wie ich herausbekommen konnte, mit wie vielen Gegnern ich es zu tun hatte. Das wusste ich nun.
»Die beiden wollten wir uns später ja sowieso vom Hals schaffen«, sagte Joey. »Dann tun wir es jetzt eben früher.«
Offenbar hatte es gar keinen Streit unter den Verschwörern gegeben, wie mir in den Sinn gekommen war, als ich den toten Sam Whittle mit fünf Schusswunden in seiner Badewanne vorgefunden hatte. Die Kerle, die im Zentrum dieser Operation standen, hatten schon immer vorgehabt, sich gegen Ende jener Juniorpartner zu entledigen, die sie als bloße Angestellte betrachteten. Einige Kugeln waren eine kluge Alternative zu einer großzügigen Abfindung.
»Nach dem Umladen«, sagte Utgard, »wird Buddy Jackie beseitigen, und ich nehme mir Hassan vor.«
Der Name Hassan war eine Überraschung, von der ich ein wenig enttäuscht war. Bisher hatten mich die Namen Jackie,
Joey und Buddy vermuten lassen, Rolf Utgards Mannschaft bestehe ausschließlich aus ehemaligen Komikern, die früher im Varieté aufgetreten waren. Dann hätte das letzte Mitglied zum Beispiel Shecky heißen können.
Abgesehen davon war ich jedoch erleichtert, dass meine zweite große Sorge sich abgeschwächt hatte. Ich hatte mich nämlich gefragt, wie ich mit der ganzen Mannschaft fertigwerden konnte, und nun hatte sich herausgestellt, dass ich es nur mit sechzig Prozent davon zu tun hatte.
»Aber schneidet ihnen bloß nicht die Kehle durch«, sagte Joey.
»Hä?«
»Dafür muss man zu nah ran. Ist gefährlich. Verpasst ihnen einen Kopfschuss.«
»Klar«, sagte Utgard. »Wir legen sie um. Hab ich doch gesagt, oder etwa nicht?«
»Na ja, zuerst hast du gesagt, wir müssten ein paar Leuten die Kehle durchschneiden.«
»Das war bloß so ein Ausdruck.«
»Wie du’s gesagt hast, dachte ich, du meinst es auch.«
»Wir schießen ihnen in den Kopf«, sagte Utgard.
»In den Hinter kopf.«
»Logisch. Jetzt mach mal Pause, Joey.«
»Das ist die einzige vernünftige Methode.«
»Ich hab’s kapiert!«
»Damit sie es nicht kommen
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