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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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Ende des Zimmers blickten mich Ariana und ich von unserem herabgefallenen Hochzeitsfoto an. Die Symbolik war fast schon aufdringlich, aber es zerriss mir trotzdem das Herz. Das künstlerische Schwarzweiß, unsere steife Förmlichkeit und das zerschmetterte Glas verliehen dem Bild den Flair von etwas endgültig Vergangenem. Ein abgeschlossenes Zeitalter, überholte Konventionen, Gespenster glücklicherer Tage. Während ich ihr sanftes Gesicht anblickte, tat ich einen wortlosen Schwur:
Ich verspreche es dir.
    Bei dem Gedanken an sie, wie sie eingeklemmt zwischen DeWitt und Verrone auf dem Rücksitz eines Vans saß, hätte ich einfach nur auf die Knie sinken mögen. Gab es irgendwas in diesem Haus, was ich noch mitnehmen musste, bevor ich floh? Als ich Ari das erste Mal erreicht hatte, war sie ganz aufgeregt gewesen, weil sie irgendetwas entdeckt hatte.
    Du wirst es nicht glauben, was ich aus diesen Papierschnipseln zusammengeklebt habe.
    Hatten die beiden es gemerkt, oder war es noch hier irgendwo?
    Ich rannte ins Wohnzimmer. Bis auf ein paar wenige Schnipsel hatten sie die geschredderten Dokumente zusammengesammelt und mitgenommen.
    Zusammengeklebt,
hatte sie gesagt. Zusammengeklebt.
    Ich rannte in die Küche. Der Müllberg, den die Polizei nach der Hausdurchsuchung auf dem Boden hinterlassen hatte, war immer noch da – ein ausgekippter Abfalleimer, ausgeleerte Schubladen. Ich konnte in dem Haufen keinen Tesafilm ausmachen und bezweifelte auch, dass Ari hier herumgewühlt hatte. Blieb nur mein Arbeitszimmer.
    Ich sprintete die Treppe hoch. Auf meinem Schreibtisch lag tatsächlich der Tesafilm und daneben ein rundes Papierstückchen, das aus mehreren Schnipseln zusammengeklebt war.
    Eine Scheibe?
    Ich griff danach und betrachtete es. Es bestand aus den silberweißen Vierecken, die ihr in dem ganzen Konfettihaufen ins Auge gestochen waren, die Schnipsel, die aus etwas festerem Papier als die anderen waren. Ich bog die Scheibe. Steif, aber doch noch biegsam. Ich hatte schon einmal solche CDs gesehen, Hip-Hop-Promotion-Singles in der
Vanity Fair
oder mal eine DVD in der
Variety,
kurz vor den Oscarverleihungen.
    Bevor sie das Ridgeline-Büro ausräumten, hatten sie diese CD also mit allen anderen Dokumenten zerstört. An dieser Frankenstein- CD war sicher nichts mehr zu retten, aber ich musste sie nicht in den Computer schieben, um zu wissen, dass eine CD dieser Machart – biegsam und dünner – bei Unternehmungen wie dieser gewisse Vorteile bot. Sie war einfacher zu vernichten.
    Und einfacher zu verstecken.
    Der feine Regen trommelte aufs Dach wie mit Tätowiernadeln, ein Trommelwirbel, der meine überstürzten Gedanken begleitete.
    Ich schloss die Augen und dachte daran, wie ich das an Ridgeline adressierte FedEx-Päckchen geöffnet hatte. Eine leere, in Wellpappe gewickelte CD .
    Und wenn die CD wirklich nicht mehr gewesen war als das, wonach sie aussah – eine leere CD nämlich? Wenn jemand wie ich das Paket bekam, musste er annehmen, dass es nur eine nutzlose CD enthielt. Aber der wirkliche Adressat würde die leere CD als Symbol deuten, das ihm mitteilte, was in diesem Paket wirklich steckte.
    Ich rannte in die Küche und durchwühlte den Abfall. Da war sie, unter einem halben Laib verschimmeltem Brot und einer Müsliriegelpackung: die Wellpappe, die ich für bloßes Verpackungsmaterial gehalten hatte. Ich strich sie glatt, fuhr mit dem Daumennagel in die Kante und zog die beiden dünnen Pappschichten auseinander.
    Dazwischen ruhte eine silbrig weiße CD .

[home]
    53
    H elle Aufregung packte mich. Ihre CD war die ganze Zeit im Haus gewesen, auf dem Küchenboden, im Müll vergraben – der einzige Ort, auf den wirklich niemand je verfallen wäre. Ich zog die CD heraus, hielt sie gegen das Licht und betrachtete sie abschätzend wie ein Juwelier.
    Es waren also wirklich die Leute von Ridgeline gewesen, die bei uns eingebrochen waren, um das Haus zu durchsuchen und das FedEx-Päckchen zurückzustehlen. Um ja jedes Beweisstück mitzunehmen, hatten sie Umschlag, Lieferzettel und die leere CD eingesteckt. Doch da die Wellpappe fehlte, gingen sie davon aus, dass ich erkannt hatte, was darin verborgen war, und die Scheibe an einem sicheren Ort verwahrt hatte. Also hatten sie mich zu Keiths Haus gelockt, mir eine Blendgranate in den Schoß geworfen und sich als Polizisten ausgegeben, um mir aus der Nase zu ziehen, wo ich die CD versteckt hatte. Dass ich das Verpackungsmaterial als Müll betrachtet und einfach auf den

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