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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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ich nicht.«
    »Wenn wir uns nicht einig werden können, gebe ich in fünfzig Prozent der Fälle zu, dass ich unrecht habe. Nicht öfter, aber auch nicht seltener.«
    »Unrecht haben kann ich ganz prima«, antwortete ich. Mitten in dieser verschwenderisch ausgestatteten Suite befiel mich plötzlich der Gedanke an Ariana. Dann dachte ich an DeWitts breites, gutaussehendes Gesicht, die Arme, die sich nur an den Handgelenken leicht verjüngten, und seine breiten Schultern. Und an Verrone mit seinem hängenden Schnurrbart und dem festen, ausdruckslosen Blick. In den Händen dieser Männer lag jetzt das Leben meiner Frau. Sie war ihnen ausgeliefert. Und atmete nur noch, solange deren Launen oder Überlegungen es erlaubten.
    »Sie wirken ziemlich aufgewühlt«, stellte Kazakov fest.
    Auf dem DVD -Player unter dem Flachbildschirm an der Wand blinkte die Uhrzeit – 23.23  Uhr.
    In zwölf Stunden und siebenunddreißig Minuten würden die Ridgeline-Typen meine Frau umbringen.
    »Das kann ich nicht bestreiten«, meinte ich.
    Mit einer Handbewegung bot er mir einen Sessel an. »Wie wär’s mit einem Drink?«
    »Sehr gern.«
    Er goss uns zwei Wodka auf Eis ein und reichte mir ein Glas. »Unsere Freunde bei Festman Gruber halten nicht viel von Fairplay. Ich kenne ihre Tricks, so wie sie meine kennen.« Er setzte sich auf die Ecke des Schreibtischs und verschränkte die Hände auf dem Knie, als würde er für ein Porträt posieren. »Sie waren sehr daran interessiert, dass aus diesem Filmprojekt nichts wird. McDonald’s musste seine Supersize-Verkaufstaktik auch aufgeben, nachdem dieser Film herausgekommen war. Tja, und wenn man erst mal McDonald’s in die Knie zwingen kann, dann sind die Grenzen nach oben offen. Wir brauchten einen echten Star für den Film, um die nötige Wirkung zu erzielen. Sie wissen ja, wie so was ist. Bei unserer begrenzten Zeit war das gar nicht so einfach – die bestbezahlten Hollywoodstars stehen nicht gerade Schlange, um in einer politisch motivierten Dokumentation über Wale mitzuspielen.« Er nahm einen Schluck und blinzelte genüsslich.
    Ich folgte seinem Beispiel. Der Wodka brannte in meiner Kehle, beruhigte jedoch meine Nerven.
    Mit dem Daumennagel wienerte Kazakov einen imaginären Fleck von der lackierten Tischplatte. »Keith Conner war nicht der dumme Bengel, für den man ihn vielleicht halten konnte.«
    »Das wird mir auch langsam klar.«
    »Filmstars kann man nicht ohne großes Aufsehen umbringen.«
    »Sie brauchten etwas Idiotensicheres.«
    »Und Low-Tech«, ergänzte er. »Es war ein Golfschläger, nicht wahr?«
    »Dabei spiele ich nicht mal Golf.«
    »Ich verstehe auch nicht, was an dem Spiel dran sein soll. Für mich wirkt es eher wie ein Vorwand, hässliche Hosen zu tragen und schon tagsüber zu trinken. Und das hab ich in meinen Jugendjahren schon ausführlich getan.«
    Ich blickte in die klare Flüssigkeit, und meine Hände begannen zu zittern. Nach all den bedrohlichen Situationen traf mich dieser menschliche Kontakt und die spontane gegenseitige Sympathie völlig unerwartet. Hier fühlte ich mich endlich mal wieder sicher. Die vergangenen Stunden waren ein einziges Chaos aus traumatischen Erlebnissen gewesen, eines nach dem anderen. Ich dachte an Sally, die mit halboffenem Mund rückwärtstaumelte, während es aus ihrem Brustkorb sprudelte. »Es ist jemand erschossen worden. Direkt vor meinen Augen. Eine alleinerziehende Mutter. Irgendwo erfährt ein Kind gerade, dass …«
    Geduldig wie ein Scharfschütze saß er da und hörte mir zu. Ich war nicht sicher, was ich ihm eigentlich sagen wollte, also leerte ich einfach mein Glas und gab ihm die CD . Er zog die Augenbrauen hoch.
    Dann ging er um den Schreibtisch herum und schob die CD in seinen Laptop. Er klickte sie an und las. Und las noch ein bisschen. Ich lehnte mich zurück und ging gedanklich durch, was ich alles anders machen wollte, sollte ich jemals die Chance bekommen, wieder mit meiner Frau leben zu dürfen. Ich dachte an die vergangene Nacht, als wir miteinander geschlafen hatten, wie ich mit dem Daumen die Spur einer Schweißperle zwischen ihren Schulterblättern nachgezeichnet hatte, wie sich ihr Mund an meine Schulter gepresst hatte … Was, wenn das nun meine letzte Erinnerung an sie sein sollte?
    Kazakovs Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Die Ergebnisse dieser internen Studie weichen beträchtlich von denen ab, die Festman veröffentlicht und auch dem Kongress vorgelegt hat. Dreihundertfünfzig Dezibel?

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