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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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zeigen, dass ich nicht auf den Kopf gefallen war.
    »Mr. Brown ist es nicht. Der wird von Tarantino selbstgespielt, er hat nur eine kleine Rolle ganz am Anfang, als sie sich alle zusammen über Madonnas Song ›Like a Virgin‹ streiten. Es ist auch nicht Mr. White, denn das ist Harvey Keitel …« Ich sprach den Namen des Schauspielers mit der Betonung auf der letzten Silbe aus und nicht wie hierzulande fälschlicherweise üblich auf der ersten. »Mr. Orange ist der von Tim Roth gespielte Polizeispitzel, der ist es also auch nicht. Bleibt nur Mr. Blonde übrig.«
    Jetzt dachte ich meinerseits an das Stanleymesser in meiner Hosentasche, das heißt, ich stellte mir vor, dass ich, mit Erik Mencken als Versuchskaninchen, den Zuschauern demonstrieren würde, wie Mr. Blonde (Antwort C) dem Polizisten das Ohr abschneidet.
    »Sie entscheiden sich also für Antwort C?« Mencken hatte sich während meiner detaillierten Ausführungen deutlich entspannt; er lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander.
    »Interessanterweise bekommt man das Abschneiden des Ohrs im Film gar nicht zu sehen«, sagte ich. »Auch nicht, womit Michael Madsen das macht. Ist es ein Rasiermesser? Ein Schnappmesser? Ein Stanleymesser vielleicht …«
    Das Gesicht des Moderators erstarrte.
    »Antwort C«, sagte ich.
    Dann kam die achte Frage. Wie wurde in der Antike das Mittelmeer von den Römern genannt: A Mare Millennium, B Mare Nostrum, C Mare Odessae oder D Schwarzes Meer.
    Auf Erik Menckens Gesicht war nichts abzulesen, er hatte sich erstaunlich schnell von dem Schreck über das abgeschnittene Ohr erholt. Mare Nostrum … Schwarzes Meer … Drei Anspielungen in einer Frage konnten ja wohl kein Zufall mehr sein. Dass die richtige Antwort außerdem der Name des italienischen Restaurants war, in dem Max mir zum ersten Mal von seiner Abzocke erzählt hatte, war dochziemlich unverfroren. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und beschloss, das Spielchen mitzuspielen.
    »Das Schwarze Meer kann man natürlich gleich ausschließen«, sagte ich. »Und Odessa, das auch am Schwarzen Meer liegt, wurde erst, da bin ich mir sicher, nach der Römerzeit gegründet. Bleiben Antwort A und B übrig … Ich weiß nicht, also Mare Nostrum hört sich mehr an wie ein italienisches Restaurant … Ja, es gibt tatsächlich ein Restaurant in Amsterdam, das so heißt. Ich habe da vor Kurzem noch gegessen mit … mit einem guten Freund …«
    Erik Mencken zog beide Augenbrauen hoch, was immer das bedeuten mochte. »Also, wofür entscheiden Sie sich?«, fragte er. »Für das italienische Restaurant oder für Antwort A.«
    »Für das italienische Restaurant«, sagte ich.
    Doch schon die nächste Frage – welches Gymnasium gehört nicht in diese Reihe: A Das Ignatius-Gymnasium, B Das Montessori-Lyzeum, C Das Spinoza-Lyzeum, D Das Erasmus-Gymnasium – sorgte bei mir für eine gewisse Verärgerung. Wozu das alles? Warum musste mir Max auf diese Weise noch extra unter die Nase reiben, dass er hinter den Kulissen die Fäden in der Hand hielt?
    Bei der nächsten Frage über Katastrophenfilme – die richtige Antwort lautete Deep Impact – fiel bei mir der Groschen: Max wollte verhindern, dass ich womöglich auf den Gedanken kam, mir aus eigener Kraft, ohne Erik Menckens Hilfe, die zehn Millionen zu verdienen. Ja, so einfach lag die Sache. Aus eigener Kraft hatte ich die 16 000-Frage geschafft, und aus eigener Kraft wollte ich bis zur Zehn-Millionen-Frage, aber dann kam zuerst Mr. Blonde dazwischen und dann auch noch Mare Nostrum und das Erasmus-Gymnasium.
    In der nächsten Werbepause flüsterte ich Erik Mencken zu: »Hast du keine anderen Fragen?« Ich umklammerte denGriff des Stanleymessers in der Hosentasche, aber es war jetzt nicht der richtige Moment, es einzusetzen.
    »Was hast du gesagt?« Der Moderator nahm einen Schluck Wasser, die Schweißtropfen auf seiner Stirn wurden von der Visagistin abgewischt.
    Auf einmal war es mir egal, ob es jemand hören konnte oder nicht. »Andere Fragen, verstehst du, andere Fragen als die auf der Liste, die ihr euch da ausgedacht habt.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte der Moderator und verdrehte die Augen zur Visagistin, die ihm immer noch die Stirn abtupfte. Schlagartig begriff ich, dass er wahrscheinlich die Wahrheit sagte: Erik Mencken dachte sich die Fragen nicht selber aus, die hatte ihm jemand erst heute Mittag in die Hand gedrückt … ja, wer eigentlich? Mein Blick wanderte zu Richard H. hinten

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