Odessa Star: Roman (German Edition)
Rückspiegel. Ich fühlte das nervöse Kichern wieder aufsteigen, konnte es aber noch rechtzeitig unterdrücken; ich hatte Lust auf eine Zigarette, obwohl es bei dieser Geschwindigkeit ziemlich schwierig sein würde, sie anzuzünden.
Statt auf der Straße zu bleiben, bog der Golf in einen Schotterweg ein, der sich als Sackgasse erwies. Wir kamen zu einem Gelände mit Lagerschuppen und Autowracks; Platz zum Wenden gab es nicht. Richard H. hielt ein paar Meter hinter dem Golf und stellte den Motor ab. Fast gleichzeitig öffneten er und Max die Wagentür und stiegen aus.
Für einen kurzen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, ihnen zu folgen.
Aber schließlich bin ich doch einfach sitzen geblieben.
Als ich ins Wohnzimmer kam, fiel Christines Blick zuerst auf meine Schuhe.
»Was hast du denn angestellt?«
David lag auf der Couch und verfolgte den Großen Preis von Monaco.
»Wie steht’s?«, fragte ich.
»Michael Schumacher hat zwei Runden Vorsprung auf Häkkinen«, sagte David. »Verstappen ist ausgeschieden.«
Erst als ich mich neben ihm auf die Couch sinken ließ, sah er die Blutspritzer auf meinen Schuhen.
»Und nicht nur deine Schuhe«, sagte Christine. »Dein Gesicht. Hast du schon in den Spiegel geguckt?«
Ich befühlte mein Gesicht. »Was soll sein?«, fragte ich.
Christine kniff die Augen zusammen und sah mich durchdringend an. Ich wandte den Blick ab und schaute fasziniert zu, wie Michael Schumachers roter Ferrari seine Runden drehte.
»Ich weiß nicht …«, sagte Christine. »Du hast so gerötete Wangen … Als ob du … als ob du …«
Sie beendete den Satz nicht. Ich dachte an den Artikel in der Cosmopolitan über die unkontrollierbaren Stunden beim Fremdgehen. Es war jetzt vielleicht nicht der richtige Moment, von der Kollision einer Möwe mit den Flügeln einer Windmühle zu erzählen.
»Ich hatte Nasenbluten«, sagte ich. Und dann sei auf dem Parkplatz von Wijk aan Zee der Opel nicht mehr angesprungen, aber dann hätte ich glücklicherweise ein paar Bekannte getroffen, die mich nach Amsterdam mitgenommen hätten. Christine sagte nichts. Als ich fertig war, stand sie auf und ging in die Küche.
»Und was wird jetzt aus dem Auto?«, fragte David.
Ich holte tief Luft. »Das war doch von Anfang an ein Scheißauto. Morgen lasse ich es abschleppen, und dann schauen wir mal, ob wir einen anständigen Wagen auftreiben können.« Ich kniff meinem Sohn in den Arm.
David sah erst mich an und dann meine blutbefleckten Sportschuhe. »Wenn du mal das Bedürfnis hast zu erzählen, wo du heute wirklich gewesen bist, dann weißt du ja, wo du mich findest«, sagte er.
Nachts im Bett starrte ich mit offenen Augen in die Dunkelheit. Die Digitaluhr unseres Schlafzimmerfernsehers zeigte 3 Uhr 15 an.
Zum fünfzigsten oder einundfünfzigsten Mal spulte ich den Film des Nachmittags zurück bis zu dem Moment, als der Mercedes auf das Gelände mit den Lagerschuppen und den Autowracks holperte. In meiner Erinnerung lief »Stuck in the Middle with You« noch, bis Richard H. den Motor ausschaltete. Jedenfalls war es mucksmäuschenstill, als Max und Richard zum roten Golf schlenderten, denn sonst hätte ich vom Rücksitz aus nie verstehen können, was Max zum Fahrer des Golfs sagte. Jetzt, im Dunkeln, sah ich alles noch schärfer vor mir als bei Tageslicht.
Richard H. stand mit locker hängenden Armen an der Beifahrertür.
Und Max beugte sich vor und gestikulierte, der Fahrer solle das Fenster runterkurbeln.
Was schließlich auch geschah. Worauf der Fahrer etwas sagte, nur konnte ich es nicht verstehen, weil er sehr leise redete. Aber ich sah Max verständnisvoll nicken, und ich sah, wie er die Hände auf den Fensterrand legte. Und ich hörte, was er sagte, in ruhigem Ton und ohne lauter zu sprechen.
Ich kniff die Augen zusammen. In meiner Erinnerung flogen Krähen oder andere Vögel zwischen den Bäumen hin und her, die das Gelände mit den Lagerschuppen umstanden. Auch ertönte vom Nordseekanal dreimal ein Schiffshorn.
Natürlich finde ich das auch unangenehm. Aber ich finde es vor allem unangenehm für dich, dass du nicht Auto fahren kannst.
Ich öffnete die Augen und schaute mir den Film bis zum Schluss an.
11
In den folgenden Wochen ging ich nicht nur sonntags, sondern auch samstags joggen. Ich war jetzt bei fünfmal drei Minuten angelangt, immer mit einer Minute in normalem Gehtempo dazwischen. Das Auto, das ich mir bei einem Verleih am Middenweg gemietet hatte, war ein lila Renault
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