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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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Französischlehrers erzählt, aber ich hielt mich vorläufig zurück. »Du hast eine hübsche Tochter«, sagte ich.
    Max grinste breit. Er schlug die Speisekarte zu und holte eine Packung Marlboro und ein Feuerzeug unter seinem Sweater hervor.
    »Bildschön, nicht wahr?«, sagte er, während er sich die Zigarette anzündete. Er blickte auf seine Hände und drehte kurz an seinem Ehering. Ich sah Biervoort vom Hocker rutschen und zur Toilette gehen; ich musste wieder an seine Finger denken und wie dieselben Finger am Verschluss seiner Hose fummelten.
     
    »Und du?«, fragte Max.
    »Und ich was?«
    »Hast du auch Kinder?«
    »Ja, einen Sohn … Aber den hast du doch an meinem Geburtstag gesehen.«
    Max sah mich nachdenklich an. Ich überlegte, wo David sich an meinem Geburtstag herumgetrieben hatte; ich sah das verschwommene Bild von meinem Sohn vor mir, wie er mit einem Bier in der Hand aus der Küche kam. Aber war er dann nach rechts ins Wohnzimmer oder nach links …? Je länger ich darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher kam es mir vor, dass er sich die meiste Zeit in seinem Zimmer eingeschlossen hatte und dass Max ihn überhaupt nicht gesehen haben konnte.
    »David. Er ist vierzehn.«
    Max schüttelte den Kopf. »Ich werde Sylvia fragen«, sagte er. »Die hat ein besseres Gedächtnis für Gesichter als ich.«
    Ich starrte ihn an; die Kellnerin erschien und wartete mit gezücktem Stift.
    »Ich hätte gern ein Sandwich mit warmem Pastrami und Meerrettich«, sagte Max, »und frischen Orangensaft. Groß.«
    Ich sah auf die Uhr. »Für mich ein Bier«, sagte ich. »Auch groß.«
    »Musst du erst nachsehen, wie spät es ist, ob du dir ein Bier genehmigen darfst?«, fragte Max lachend.
    Ich lachte auch, aber gleichzeitig fragte ich mich, ob Max wirklich vergessen hatte, mit wem er auf meinem Geburtstag gewesen war.
    »Wie geht’s Richard?«
    »Wie geht’s Richard«, wiederholte Max, nur ohne Fragezeichen.
    Ich fühlte plötzlich eine unerklärliche Hitze in mir aufsteigen, die eine rosa Glut auf meinem Gesicht entfachte; eine Glut, die zweifellos schon aus großer Entfernung sichtbar war. Ich starrte zur Toilettentür hinten im Bistro, aber sie war noch geschlossen.
    »Es war tatsächlich ganz praktisch, den Wagen am Freitagmorgen abholen zu lassen«, sagte Max. »Ich habe dann doch nichts vor.«
    Er studierte wieder seine Finger. Ich fühlte, wie die Hitze jetzt auch meine Augen erreichte.
    »Nur ist eine 24 000er Inspektion bei kaum 6000 gelaufenen Kilometern ein bisschen übertrieben«, fuhr Max fort, immer noch ohne mich anzusehen. »Das fand auch Henk wie-heißt-er-doch-gleich. Henk Leerhuis, so ähnlich. Deshalb rief er zurück, um zu checken, ob da nicht vielleicht ein Missverständnis vorliegt …«
    Die Kellnerin stellte das Glas Orangensaft und mein Bier auf den Tisch.
    Max blies eine blaue Rauchwolke über die Getränke und sah mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht. »Als Sylvia dich daher heute Morgen ›zufällig‹ durch die Beethovenstraat flanieren sah, habe ich eins und eins zusammengezählt, verstehst du?«
    Ich wich seinem Blick aus. Das ist vielleicht keine so gute Idee, schoss es mir durch den Kopf. Ich sah ihn an und wieder weg.
    »Nun ist das alles halb so schlimm«, sagte Max. »Wegen einer kleinen Karambolage am Nordseekanal brauchte der Wagen sowieso rechts einen neuen Scheinwerfer. Aber wozu der ganze Aufwand? Ich stehe einfach im Telefonbuch. So viele G.s gibt’s nun auch wieder nicht in Amsterdam.«
    Irgendwo unten in meiner Brust versackte etwas, nein, es war mehr wie ein Fehltritt, wenn man eine Treppe runtergeht und irrtümlicherweise glaubt, man hätte die unterste Stufe schon erreicht.
    »Leemhuis«, sagte ich.

    »Was?«
    »Leemhuis. Der Mann von der Garage. Er heißt nicht Leerhuis, sondern Leemhuis. Henk Leemhuis.«
    »Habe ich Leerhuis gesagt?«
    »Ja.«
    Wir schwiegen eine Weile. Max steckte sich noch eine Zigarette an und leerte sein Glas Orangensaft in einem Zug; ich machte dasselbe mit meinem Bier.
    »Du willst etwas von mir«, sagte Max schließlich.
    »Bitte?«
    »Du willst doch etwas von mir, oder? Ich meine, erst tauchst du beim Timbuktu auf, dann belästigst du meine Frau auf der Straße …«
    Ich öffnete den Mund, aber Max legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Scherz! Nein, aber ich dachte die ganze Zeit, wann kommt er endlich zur Sache. Ich meine, vielleicht irre ich mich, aber wenn ich mich irre, möchte ich das gerne hören.«
    Ich hatte Lust auf ein neues

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