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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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Erasmus-Gymnasium unterrichtet hatte, mit meiner Schulzeit in Verbindung gebracht. Mein Schwager nicht, weil er zu dumm war, David und Tamar nicht, weil sie es gar nicht wussten oder es nicht interessant fanden. Und die anderen waren alle in der Küche gewesen.
    Irgendwann standen wir im Flur und verabschiedeten uns. David war schon nach unten gegangen und hatte die Haustür geöffnet, die Luft von draußen strich erfrischend über mein Gesicht.
    »Ich bringe euch morgen die Stecklinge für den Balkon«, sagte meine Schwiegermutter.
    »Ich weiß nicht, ob wir morgen da sind, Mama«, antwortete meine Frau. »Wir telefonieren noch.«
    Und genau in dem Moment kam mein Schwager angerannt; er lief vornübergebeugt, die Hände vorm Gesicht, Blut tropfte zwischen den Fingern auf den Parkettboden. Laut fluchtend verschwand er in der Küche.
    Ich schaltete den Fernseher aus, holte mir den Jack Daniel’s und füllte die leere Kaffeetasse. Ich war unschlüssig, ob ich Max zu Hause anrufen sollte: Es war Samstag, vielleicht war seine Tochter Sharon gerade im Zimmer und er konnte nicht frei sprechen. Doch nachdem ich die Tasse ausgetrunken hatte, wählte ich die Nummer, die, wie Max gesagt hatte, tatsächlich einfach im Telefonbuch stand. Nach ein paar Klingeltönen meldete sich der AB mit den Namen der ganzen Familie und zwei Handynummern.
    »Hallo?« Im Hintergrund hörte ich ein Rauschen und etwas, das nach einem fahrenden Auto klang.
    »Fred hier …«
    Für einen Moment war es still, dann hörte ich jemanden etwas zu Max sagen.
     
    »Hallo?« Das war Max wieder.
    »Fred, Fred Moorman. Wir haben neulich …«
    »Ja, Fred. Was ist?«
    Ich holte tief Luft und starrte in die leere Kaffeetasse. »Ich habe die Nachrichten gehört.«
    »Ja?«
    »Und die Zeitung gelesen.«
    Jetzt hörte man wieder nur das Rauschen und kurz darauf die andere Stimme, die »hier links« sagte. Ich wusste nicht genau, ob Handys abgehört werden konnten, hatte aber irgendwo gelesen, dass die israelische Armee vermeintliche Terroristen über deren Handys ausfindig macht …
    »Bist du noch da, Fred? Ich konnte dich gerade nicht mehr hören …«
    »Ich höre dich gut, Max.«
    »Was macht dein Französisch, Fred?«
    »Was?«
    »Dein Französisch. Erntest du immer noch die Früchte des Unterrichts, oder bist du doch nicht so ganz zufrieden?«
    In meinem gerade noch heißen Kopf herrschte auf einmal Eiseskälte. Mit dem Hörer am Ohr ging ich in die Küche, dort fiel mir ein, dass der Jack Daniel’s im Wohnzimmer stand.
    »Erinnerst du dich noch«, fuhr Max fort, »dass ich an deinem Geburtstag kein Geschenk dabeihatte? Aber ich habe es nicht vergessen. Max vergisst seine Freunde nie.«
    »Aber … aber.« Ich zögerte, denn ich wollte keine sensiblen Informationen über die Leitung preisgeben. »Aber so schlecht war der Französischunterricht doch nun auch wieder nicht!«
    Max brach in Gelächter aus. In dem Moment hörte ich den Schlüssel in der Wohnungstür; Christine stand mit zwei orangefarbenen Einkaufstüten im Flur.
    »War sonst noch was?«, fragte Max.
     
    Ich lächelte meine Frau an, die mein Lächeln erwiderte.
    »Ja«, sagte ich. »Worüber wir uns neulich unterhalten haben … Glaubst du, du kannst in absehbarer Zeit noch mal …«
    »Wie spät ist es eigentlich? Elf Uhr. Hör zu. Du hast Glück, ich fahre gerade nach Amsterdam rein. Ich muss noch ein paar Sachen erledigen, aber dann kann ich so gegen, sagen wir mal, halb zwei, zwei Uhr bei dir sein. Passt das?«
    Ich schaute zum Flur, aber meine Frau war schon wieder verschwunden.
    »Ja«, sagte ich.

4
    »Was hältst du davon«, fragte ich meine Frau, »wenn wir uns diesen Sommer wieder ein paar Wochen in dem netten Hotel in Menorca einquartieren, wo wir letztes Jahr waren? Ich meine, es ist vielleicht das letzte Mal, dass wir etwas zusammen unternehmen. Als Familie, meine ich. David ist vierzehn. In einem Jahr will er mit uns überhaupt nicht mehr irgendwohin.«
    An Christines Miene war nicht abzulesen, ob sie an Tintenfische dachte oder an etwas ganz anderes.
    »Wir könnten Nathalie mitnehmen«, sagte ich. »Dann ist es für ihn weniger langweilig.«
    Meine Frau seufzte tief. »Ich leg mich mal kurz oben hin«, sagte sie.
     
    Ich hatte mir gerade in der Küche eine Zigarette angesteckt, als David nach Hause kam; das Haar hing ihm in nassen Strähnen über die Augen. Er warf seine Sporttasche in den Schrank neben der Wohnungstür.
    »Gewonnen?«, fragte ich.
    Er warf einen Blick auf

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