Odessa Star: Roman (German Edition)
die Zigarette und zog die Brauen hoch. »Verloren.« Er wollte in sein Zimmer gehen.
»David.«
Er blieb stehen. Widerwillig.
»Ja?«
»Ganz kurz. Hör mal, deine Mutter und ich, wir dachten, wir könnten dieses Jahr wieder in das nette Hotel nach Menorca. Weißt du noch?«
»Ja«, sagte er. Nicht einmal in weiter Ferne war in seiner Stimme auch nur ein Anflug von Begeisterung zu hören.
»Und da fiel mir ein, weißt du, was vielleicht nett wäre? Für dich? Wenn deine Freundin mitkommt. Natürlich nur, wenn ihre Eltern das erlauben. Es sind schließlich nur zwei Wochen, also sollte das eigentlich kein Problem sein. Was meinst du?«
Er starrte mich an; seine Unterlippe löste sich von der Oberlippe und hing dann etwas in der Luft, als könnte sie sich nicht entscheiden, welche Richtung sie einschlagen sollte.
»Glaubst du, Nathalie findet das gut?«
David zwinkerte mit den Augen, möglicherweise war er überrascht, dass ich den Namen seiner Freundin behalten hatte.
»Ich weiß nicht«, begann er zögernd, aber dann wurde sein Blick auf einmal heller. »Ja, ich glaube, das ist okay.«
»Das dachte ich auch.« Ich grinste und fasste ihn am Nacken. »Weißt du was, frag sie doch so schnell wie möglich. Ob sie darf. Dann habe ich noch Zeit zu reservieren.«
In dem Moment klingelte es an der Haustür.
Ich drückte auf den Knopf. Max winkte unten an der Treppe und nahm zwei Stufen auf einmal; er hatte seine Sonnenbrille auf die Stirn geschoben.
»Krank?«, fragte er, als er mir die Hand schüttelte und mir forschend in die Augen sah.
Ich zuckte mit den Achseln. »Bloß eine kleine Erkältung.«
Max wandte sich David zu. »Und das ist, nehme ich mal an, dein Sohn.« Er berührte ihn kurz an der Schulter und hielt ihm dann die Hand hin. »Viel von dir gehört«, sagte er;er zwinkerte mir zu. »Und nur Gutes, zumindest wenn wir deinem Vater Glauben schenken dürfen.«
Ich war gespannt, ob David Max wiedererkennen würde, aber auch mein Sohn reagierte, als sähe er ihn zum ersten Mal.
»Hallo«, sagte er.
»Max«, sagte Max.
Ich legte die Hand auf Max’ Schulter. »Kann ich dir etwas anbieten?«
Max machte ein nachdenkliches Gesicht. »Na ja, eine Tasse Tee wäre jetzt genau das Richtige«, sagte er. »Am liebsten Kräutertee. Wenn es nicht zu viel Umstände macht.«
»Kräutertee …« Ich griff mir an die Stirn, als müsste ich darüber nachdenken, ob wir überhaupt Tee im Haus hatten.
David starrte Max an; im Blick meines Sohnes sah ich etwas, was ich darin schon lange nicht mehr gesehen hatte, jedenfalls nicht, wenn er mich ansah.
Max brach in Gelächter aus. »Oh Mann!«, sagte er und gab mir einen Stoß in die Seite. »Du müsstest deine Visage sehen! Kräutertee! Mein Gott, du kannst vielleicht blöd gucken! Haha, wunderbar!«
Ich lachte jetzt auch. David hatte ein Funkeln in den Augen.
»Großartig!«, sagte Max. »Ich mache das öfter, wenn ich in eine Kneipe komme, so eine, weißt du, in der sie alle schon um zwei Uhr mittags ein paar Kurze runterkippen. Und dann frage ich: ›Wenn man mehr als zwei Tassen trinkt, ist es dann billiger, eine Kanne Kräutertee zu bestellen?‹ Die Gesichter der Leute an der Theke! Einfach köstlich.«
David lachte auch. Es war schon ein paar Jahre her, dass ich ihn so hatte lachen hören, wirklich von innen heraus, nicht das herablassende Grinsen, an das ich mich so gewöhnt hatte.
»Ja«, sagte mein Sohn. »Cool.«
Wir standen auf dem Balkon, die Ellbogen auf der Brüstung, und sahen auf den Garten hinunter. David war in sein Zimmer gegangen; Christine hielt noch immer oben ihr Nickerchen. Max blies den Rauch seiner Marlboro durch die Nase aus und ließ die Eiswürfel in seinem Glas Jack Daniel’s klirren.
Wir standen da schon eine ganze Weile, ohne viel zu sagen; was wir zu besprechen hatten, hatten wir mehr oder weniger erledigt. Schon zweimal hatte ich Max auf seine Taucheruhr schauen sehen; auch der Piepser hatte sich einmal gemeldet, aber Max hatte nur den Kopf geschüttelt und noch einen Schluck genommen.
Es war in diesem leeren Augenblick ohne Zukunft und genau genommen auch ohne Vergangenheit, dass sich im Erdgeschoss etwas rührte.
»Komm … komm …«
Die Tür zum Garten öffnete sich, und Frau de Bilde kam heraus, einen Blechnapf in der Hand.
»Komm, Junge …«
Hinter ihr schleppte sich der Köter nach draußen. Wir konnten seine Fußnägel über die Steine ratschen hören. Hunde haben ein sichereres Gespür dafür (oder
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