Odice
Daumen sanft über ihre geschwollenen, von Speichel und Samen glänzenden Lippen. Als er seine Kleider gerichtet hatte, legte er Odice die Cashmere-Decke um die Schultern, die noch auf der Couch gelegen hatte, und zog sie zärtlich in seine Arme. Seine langen Finger fuhren durch ihr Haar und richteten notdürftig ihre Frisur, die sie kurz zuvor so sehr zerwühlt hatten.
»Bist du okay?« fragte er sanft.
Odice nickte, zum Sprechen fehlte ihr die Kraft.
»Möchtest du, dass ich dich jetzt in dein Zimmer bringe?«
Odice nickte erneut und Julien lud sie ohne ein weiteres Wort, in die Decke gehüllt, auf seine Arme.
Sie lehnte sich erschöpft gegen seine muskulöse Brust und er hielt sie fest an seinen Körper gedrückt, als er bemerkte, dass sie seine Nähe ertragen konnte.
Julien legte sie auf der seidenen Überdecke ihres Himmelbetts ab, ehe er sich selbst auf der Bettkante niederließ.
»Was ist los mit dir, Odice? Dein Blick sagt mir, dass du mit irgendetwas haderst.«
Seine Stimme hatte so einfühlsam geklungen. Kaum zu fassen, was dieser Mann noch vor wenigen Minuten zusammen mit seinem Bruder mit ihr getan hatte.
Odice spürte, wie sie rot wurde.
»Das vorhin auf dem Tisch, das war nicht ich«, sagte sie fest, wobei sie nicht fähig war, ihm in die Augen zu sehen.
»Doch, Odice. Das warst du. Schäm dich nicht deswegen. Es war ein herrlich dekadenter Anblick. Eine wunderschöne, sinnliche Bacchantin inmitten dieses fürstlichen Dekors. Das war fabelhaft und ganz gewiss kein Grund sich zu schämen.«
»Aber das im Salon – ich habe so etwas noch nie getan.«
»Ich weiß, Odice.«
»Es war obszön.« Sie verzog angeekelt den Mund.
»Nein, ganz im Gegenteil. Es war höchst sinnlich und ein bisschen frivol.« Da war es wieder, dieses betörende, leicht überhebliche Lächeln um seine Mundwinkel.
Odice zog die Stirn kraus und schüttelte langsam mit dem Kopf.
»Aber du hast doch Lust dabei empfunden, oder?«
Er schaute ihr prüfend in die Augen, obwohl er doch ganz genau wusste, wie sie vor Lust zerflossen war.
Odice nickte schamhaft.
»Na also. Das war der Sinn der Übung und übrigens auch der Sinn deines Aufenthalts hier. Du sollst lernen, dich fallenzulassen, ohne falsche Scham und ohne schlechtes Gewissen.«
Er streichelte ihre Hand und senkte dann seine sinnlichen Lippen auf ihre Stirn, um ihr einen keuschen Kuss zwischen die Brauen zu hauchen.
»Schlaf gut und träume süß, meine wundervolle Odice.«
Odice lag da und sann über Juliens Worte nach, während sie hörte, wie er von außen ihre Zimmertür verschloss. Dann stand sie auf, die Cashmere-Decke eng um ihren noch immer zitternden, verkaterten Körper gezogen, und trat ans Fenster.
Sie öffnete einen Flügel des großen Kassettenfensters und lehnte sich hinaus. Die Nacht war still und schwarz. Feiner Sprühregen fiel knisternd auf das feine Blattwerk der Pappeln im Park. Odice atmete den feuchten Wind ein, der ihre Augenlider und die erhitzten Wangen kühlte.
Kapitel 9
Diesmal hatte Odice schon geduscht und saß in ihrem Seidenmantel im Sessel, die Beine angezogen, und las in Groults Roman, dessen intellektuelle und ebenso offenherzige wie selbstbewusste Heldin ihr so sympathisch war, als Sada hereinkam.
Odice legte das Buch zur Seite und ließ die Leibesvisitation ohne Murren über sich ergehen. Auch die Prozedur mit dem verhassten Zapfen ertrug sie diesmal ohne Gegenwehr und stellte dabei fest, dass es – wenn auch nach wie vor zweifellos unangenehm – deutlich erträglicher war, als am Vortag, als sie gezappelt und sich verkrampft hatte.
Die Sonne schien durch die hohen Sprossenfenster des Châteaus und Odice fühlte sich erholt und ausgeruht nach dieser Nacht, in der man sie hatte durchschlafen lassen.
»Die Herren sind draußen, des schönen Wetters wegen. Ich werde Ihren Kaffee auf der Terrasse servieren«, erklärte Sada, während sie die Treppe hinuntergingen. Der Ballon drückte auch ohne Kaffee schon mächtig auf Odice’ Blase.
Sie trat durch die großen gläsernen Flügeltüren, die direkt vom Salon auf die Terrasse führten, für deren Schönheit sie am vergangenen Spätnachmittag keinerlei Blick gehabt hatte. Jetzt lag das große halbkreisförmige Podest, von dem aus die herrschaftliche Freitreppe hinunter in den Park führte, im strahlenden Sonnenschein. Vor der hellen Naturstein-Balustrade standen große antike Blumenkübel mit Buchsbaumkugeln und Hortensien.
Julien saß bei einer Tasse Kaffee und seiner
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