Odins Insel
Identität der Brandstifter, und um selbst die geringste Möglichkeit eines Missverständnisses auszuschließen, war Es (alias Esra) gegen Abend an der Botschaft vorbeigegangen und hatte hinter der Hecke, über die die sechs Rächer später in der Nacht klettern sollten, wie zufällig den Füllfederhalter seines Bruders verloren, auf dem dessen
Name eingraviert war. Es bestand kein Zweifel, bald würden die Rächer für die große Revolution bereit sein – jedenfalls erzählte Es (alias Esra) ihnen das. Ihm selbst waren Revolutionen ehrlich gesagt ziemlich gleichgültig, und er konnte keinen Nutzen darin sehen, die Gesellschaft umzukrempeln, aber wenn man will, dass die Wölfe für einen arbeiten, gilt es der zu sein, der am lautesten heult. Sobald diese lächerliche Odin-Geschichte ihren Höhepunkt erreicht hatte oder, genauer gesagt, sobald sein unausstehlicher Bruder eingesperrt und der Brandstiftung angeklagt worden war, wollte er, Es (alias Esra) auf der Familienbühne wieder auferstehen und die Situation retten. Er würde der Held der Familie werden; das zehnte Stück Silber, der verlorene und wiedergefundene Sohn, und zu seiner Ehre würde das Opferlamm geschlachtet werden.
Genau wie Es (alias Esra) geplant hatte, fiel der Verdacht, noch bevor die Feuerwehrleute die letzte Glut an der Brandstätte gelöscht hatten, auf die Wiedergeborenen Juden. Was Es (alias Esra) jedoch nicht geplant hatte, war, dass Hesekiel, der Rechtschaffene, der Vater und die Mutter, die fünf restlichen Onkel, ihre Frauen und Kinder sowie die Witwe des sechsten Onkels und die wenigen nicht mit ihnen verwandten Wiedergeborenen Juden, hieb- und stichfest beweisen konnten, dass sie zu dem Zeitpunkt, als der Brand ausbrach, zum Studium der heiligen Schriften versammelt gewesen waren. Hierauf richtete sich der Verdacht sofort auf Simon Peter II. Die Wiederauferstandenen Christen waren, wie der älteste Onkel Hesekiels, des Rechtschaffenen, schnell hervorhob, die Einzigen, die ein Motiv für das Verbrechen hatten.
Der Lieblingsjünger und erste Apostel des Großen Mannes war wütend. Doch nachdem er die Dinge einige Stunden überdacht hatte, offenbarte ihm der Herr glücklicherweise die Wahrheit.
»Ich, Simon Peter II., Fischer an Leib und Seele, habe eine Botschaft von dem Herrn und von seinem Sohn, dem Großen Mann, erhalten, in der mir gesagt wurde, dass der Brand der nordnordischen Botschaft sowie die Telefonbombe vor einigen Wochen von den falschen Wahren Christen gelegt worden sind,
um den einzig wahren Gläubigen zu schaden«, erklärte Simon Peter II. seinen Anhängern mit Nachdruck.
Da sie natürlich weder im Glauben noch in der Überzeugung hinter irgendjemandem zurückstehen wollten, erklärten die Wahren Christen und mit ihnen viele patriotische Landsleute sofort, dass das Feuer ohne Zweifel von den Wiederauferstandenen Christen entzündet worden war, die bei dem Versuch, die Schuld den Nordnordländern zuzuschieben, sich außer der Versündigung auch noch der Verhöhnung schuldig gemacht hatten. Und genau wie ein Nordnordländer in Südnorden schon lange nicht mehr sicher war, war es bald auch für einen Südnordländer nicht mehr sicher, sich auf nordnordischem Boden zu bewegen. Die Wahren Christen hatten eine effektive Methode gefunden, für Gott und die Gerechtigkeit zu kämpfen: Die Südnordländer verließen eilig Nordnorden, und bevor die Woche herum war, war auch die südnordische Botschaft in der nordnordischen Hauptstadt nur noch eine rauchende Brandstätte.
Zu diesem Zeitpunkt verschwand Herr Brams Bramsentorpf.
Gebt Odin frei oder Herr Bramsentorpf ischt ein toter Mann.
»Was zum Teufel ist das?« Der Staatsminister zeigte erregt auf den Brief, den ihm der Justizminister gerade auf den Tisch gelegt hatte. Er war in Buchstaben geschrieben, die aus Zeitungen und Illustrierten ausgeschnitten worden waren.
»Das ist eine Kopie…«, begann der Justizminister.
»Ich sehe, dass das eine Kopie ist!«, zischte der Staatsminister mit zitternden Mundwinkeln. »Was ich wissen will, ist, wer ihn geschrieben hat, wo Herr Bramsentorpf ist, und was die Polizei tut, um ihn zu finden?«
»Die Polizei tut, was sie kann. Sie haben ihre Leute überall. Aber sie haben noch nicht…«
»Es sind fünf Tage vergangen, seit er entführt worden ist!«
»Die Polizei arbeitet unter Hochdruck. Sie haben seine Kollegen und alle verhört, die sich in der Nähe des Ministeriums aufhielten, als die Entführung stattfand. Aber niemand
Weitere Kostenlose Bücher