Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
er einen heftigen Ausfall. Cleph riß sein Pferd zurück und war einen Augenblick unaufmerksam. Da schlug ihm Odo das Schwert aus der Hand. In hohem Bogen fiel es zur Erde. Der kleine Kerl sprang vom Pferd und bückte sich.
„Tiefer!“ rief Odo. „Auf die Knie!“
Ringsum herrschte schon heillose Verwirrung. Die beiden Zweikämpfer brauchten Platz. Erschrocken rannten die Pferde, Rinder und Schafe durcheinander, die Knechte knüppelschwingend hinterher. Alles brüllte und blökte, am lautesten Herr Rocco, der um seine Brautgeschenke besorgt war. Schon hatten sich weitere Unruheherde gebildet. Nichts geht in Franken bekanntlich schneller, als miteinander in Streit zu geraten. Man nahm Partei und beschimpfte sich. Mit der Klinge mußte sich Heiko zwei Knechte des Rocco vom Leibe halten. Auch zwischen Fulk und dem Bräutigam Bobo kam es zu Feindseligkeiten. Zum Glück hielt ich etwas abseits, und mein Grisel ließ sich nicht anstecken, sondern bewahrte philosophische Ruhe.
Inzwischen ging der Kampf um meine Ehre auf ebener Erde weiter. Auch Odo war vom Pferd gestiegen und erwehrte sich eines neuen Angriffs. Der Vilicus, zwei Köpfe kleiner, hatte die Kraft und Ausdauer eines Stiers. Er sah wahrhaftig auch so aus, wenn er, die Stirn gesenkt, auf seinen Gegner eindrang. Odo, der dennoch klar überlegen war, schien das Ganze allmählich langweilig zu finden. So würzte er den Kampf mit ein paar drolligen Einlagen. Er sprang auf den Rücken eines Ochsen und ließ sich ein kurzes Stück mittragen, wobei er, sich am Schwanz des Tieres festhaltend, weiterfocht. Oder er machte ein paar elegante Hüpfer, nach vorn und zurück, nach links und nach rechts, wie beim Waffentanz.
Der edlen Frau auf dem Turm gefiel das, sie klatschte jedesmal in die Hände. Dem Cleph entging das nicht, und umso heftiger wurde sein Zorn. Auch von den Zinnen der Torpfeiler, wo die Köpfe der Zuschauer aneinanderstießen, wurde Odo mit Beifallsgejohle angefeuert. Der Vilicus schien bei den Leuten vom Salhof nicht sehr beliebt zu sein.
Unter denen, die von dort oben herabschrien, fiel mir ein junger Mann auf, der sich besonders laut gebärdete. Er war rothaarig, schmal, sein Gesicht war mit Sommersprossen gesprenkelt. Plötzlich tat sich das Tor auf, und er stürzte heraus.
„Das ist ja Sigiwald!“ rief Drog, der wieder neben mir hielt. „Der Bruder des Cleph!“
„Was hat er vor?“
„Ja, was? So seht doch! Seht nur …“
Der junge Mann hatte die beiden Kämpfer erreicht und stellte sich hinter dem Rücken des Cleph auf. Mit einem schiefen, bösen Grinsen starrte er auf die Füße des Bruders, die sich vor ihm im Kampfrhythmus hin- und herbewegten. Auf einmal, blitzschnell, trat er zu. Cleph stürzte hin, lag auf den Knien.
„Warum gebt Ihr Euch so viel Mühe mit ihm?“ schrie der Jüngling. „Da habt Ihr ihn! Los, bitte um Vergebung! Wird's bald?“
In diesem Augenblick verirrte sich ein verschreckter Hammel zwischen die Kämpfer. Er stieß den Cleph vor die Brust, so daß der auch noch auf die Seite rollte. Außer sich vor Wut, mit verzerrtem Gesicht sprang er auf die Beine. Er schwang das Schwert hoch über den Kopf und ließ es auf das Tier niedersausen.
Der Hammel stieß einen gräßlichen Todeslaut aus und zerfiel auf der Stelle in zwei Hälften. Die lagen blutig und zuckend im Gras.
Der Kampf war beendet.
„Habt Ihr's gesehen?“ zischte Drog. „So und nicht anders hat er's gemacht!“
Ich starrte betroffen auf den halbierten Hammel. Odo wandte sich seufzend ab und steckte sein Schwert in die Scheide. Der Vilicus stand eine Weile keuchend da. Plötzlich hob er den Kopf und blickte trotzig zum Turm hinauf.
Aber die edle Frau Prisca hatte sich abgewandt. Sie zog sich gerade zurück. Der Platz am Fenster blieb leer.
„Was tust du, mein Lieber? Du bringst mich ja um meine Brautgeschenke!“ schrie Herr Rocco und lief, die Hände ringend, herbei. „Der beste Hammel, ein schönes Tier! So ein Verlust … ach, so ein Verlust! Ich werde ihn ersetzen müssen, von toten Hammeln war nicht die Rede. Gute fünfzehn Denare war er wert. Ach, ist das heute ein Unglückstag …“
Herr Rocco zeterte noch eine Weile. Cleph wischte sein blutiges Schwert im Gras ab. Dann stieß er einen höchst unanständigen Fluch aus, spuckte aus und sah sich nach seinem Pferd um.
„So und nicht anders!“ sagte Drog. „Genauso erging es dem Gundobad!“
„Odo! Mein Vetter! Welche Freude, dich wiederzusehen! Was für ein guter Wind hat dich
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