Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
hergetragen?“
Mit ausgestreckten Armen trat Herr Ebrachar durch das Tor und schritt geradenwegs auf Odo zu. Sie fielen einander in die Arme. Herr Ebrachar lachte und weinte gleichzeitig.
„Wie gut das tut! Ein Sproß der eigenen Familie … gesund und stark in der Blüte der Mannesjahre!“ rief er. „Odo, der Sohn meines Onkels Leudast, des Helden so vieler siegreicher Schlachten!“
„Auch du hattest einen Helden zum Vater, einen noch größeren“, erwiderte Odo großzügig. „Und du warst selber der Schrecken der Feinde. Schon als Kind hab ich dich bewundert, Vetter! Aber du hast dich verändert …“
„Ja, mein Teurer, ich bin älter geworden. Die Zeiten sind nun vorbei, da ich drei Tage und Nächte zu Pferde saß.“
„Als wir uns das letzte Mal sahen, in Ingelheim auf der Reichsversammlung, hast du noch junge Recken im Zweikampf besiegt.“
„Das würde mir jetzt nicht mehr gelingen“, erwiderte Herr Ebrachar aufrichtig. „Ich habe mich auch von den weltlichen Dingen abgewandt. Bin in mich gegangen und habe zu Gott und unserm Herrn Jesus gefunden. Weißt du schon, was für ein schreckliches Unglück mir widerfahren ist?“
„Ja, dein Sohn Gundobad …“
„Wir haben gerade eine Messe für ihn gehört. Der Pater Fabiolus hat sie gelesen, ein lieber Freund. Es ist heute genau ein Jahr her. Aber jetzt nichts mehr von Unglück und Tod. Du hast mir noch immer nicht gesagt, welcher glückliche Umstand …“
„Wir sind auf der Reise nach Paris.“
„Ist es wahr, daß du im Auftrag des Königs reist?“
„Ja, wir vertreten das Hofgericht, um eine Rechtssache zu entscheiden. Unterwegs kam ich auf den Gedanken, dich zu besuchen, aber beinahe …“
„Beinahe verirrte er sich, doch zum Glück traf er uns!“ fiel Herr Rocco ein, der ungeduldig darauf gewartet hatte, zu Worte zu kommen. „Da sind wir schon, Ebrachar, mit den Brautgeschenken. Hoffentlich werdet Ihr jetzt nicht zornig, wir kommen zwei Tage zu früh …“
„Warum sollte ich zornig werden? Wo Ihr mir doch meinen lieben Odo mitbringt! Seid alle willkommen!“
Ebrachar umarmte auch den Rocco, der vor Erleichterung strahlte. Nun kam die Reihe an mich, Odo stellte mich vor, und ich empfing einen warmen Händedruck und ein freundliches Lächeln. Ich gestehe, daß mir unser Gastgeber vom ersten Augenblick an gefiel, daß ich ihn sogar recht eindrucksvoll fand. Er war groß und hager, schon ein wenig gebeugt, und hatte scharfe, doch edle und angenehme Gesichtszüge. Er trug ein schlichtes, langes braunes Gewand, das wie eine Kutte geschnitten war. Zweifellos war dies ein Ausdruck seiner Wandlung und inneren Einkehr, auf die schon Herr Rocco mehrmals angespielt hatte. Seine Freude, Odo wiederzusehen, war ungeheuchelt, fast überschwenglich. Er rief nun den sommersprossigen Rotschopf herbei und stellte ihn als seinen Sohn Sigiwald vor. Odo kannte diesen jungen Verwandten noch gar nicht, war er doch zum letzten Mal hier gewesen, bevor der geboren war. Der Bursche schlenderte heran, wobei ihm ein Schwert, mit dem er sich jetzt gegürtet hatte, gegen die dünnen Beine schlug.
„Dein Onkel Odo, mein Sohn!“ sagte Ebrachar. „Begrüße ihn, wie es sich gehört!“
„Sieh mal an“, bemerkte Odo stirnrunzelnd, „mein Waffengefährte!“
„Ich wollte Euch nur ein bißchen helfen, Onkel“, sagte Sigiwald feixend, „sonst hätte er Euch noch etwas getan.“
„Nun, deine Hilfe war nicht nötig. Ich hoffe, du hast auch gelernt, einen Gegner von vorn zu bekämpfen. Nach den Kampfregeln.“
„Wie? Es hat einen Kampf gegeben?“ rief Ebrachar, der vor Freude über das Wiedersehen mit seinem Vetter das Getümmel ringsum überhaupt nicht bemerkt hatte. „Mit wem denn und wie kam es dazu?“
„Der Langobarde hat ihn beleidigt!“ rief Sigiwald.
„Mein Sohn Cleph? Er hat dich beleidigt? Sofort soll er kommen und Abbitte tun!“
Herr Ebrachar sah sich um, doch der Cleph war nicht mehr in der Nähe. Ich hatte noch gesehen, wie er umherritt und ein paar Anweisungen gab. Dann war er verschwunden.
„Schon gut“, sagte Odo, „warum davon Aufhebens machen? Ich wollte mir nach dem langen Ritt ein bißchen Bewegung verschaffen. Nur wenn mein Amtsgefährte darauf besteht …“
„Er hat ihn als Kuttenträger und Dieb beschimpft!“ schrie der Rotschopf.
„Das ist unerhört!“ rief Herr Ebrachar. „Dafür wird er Rechenschaft geben!“
„Aber ich habe ihm längst verziehen!“ beeilte ich mich zu versichern. „Im Grunde
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