Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
schlanker, fast graziler Gestalt. Sein Gesicht erinnerte mich an ein Kirchenfresko, welches unseren Herrn Jesus selber darstellte. Es war schmal und edel geformt, mit hoher Stirn, einer kühn vorspringenden, leicht gebogenen Nase und Augen, die Feuer sprühten. Braune Locken, die die Tonsur fast verbargen, umrahmten dieses Gesicht, dessen Schönheit jedoch erst durch das lebhafte Mienenspiel vollendet wurde. Der Mönch legte etwas dar, sprach fast nur selbst, leise, begeistert, mit sanfter Stimme. Dabei sah er oftmals zum Himmel hinauf, entblößte seine prächtigen Zähne und verstärkte seine Worte durch weit ausschwingende Gesten. Was er sagte, verstand ich nicht, weil gleich neben meinem Ohr aus einer Rinne Wasser in das Becken plätscherte. Doch es mußten erstaunliche Worte sein. Das erriet ich, als ich einen Blick auf die Jungfrau warf.
Sie saß in der Haltung einer Erleuchteten da. Die blauen Augen, rund wie Denare, hingen weit aufgerissen an den Lippen des Mönchs. Ihre Hände hatte sie vor der Brust gefaltet, wobei sie die Finger so fest ineinander verhakte, daß man fürchten mußte, es könne Blut herausspritzen. Sie war ein sehr hübsches, blondes, kräftiges Mädchen, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, bekleidet mit einem langen Gewand von zartem Gelb, das sie vom Hals bis zu den Knöcheln züchtig bedeckte. Die fromme Inbrunst, um die es sich ja wohl handelte, ließ sie ein bißchen töricht erscheinen, doch das konnte täuschen. Von Zeit zu Zeit seufzte sie tief, und ihre Lippen bewegten sich murmelnd. Sah der Mönch zum Himmel hinauf, ging auch ihr Näschen in die Höhe. Wenn sie bei einer seiner schwungvollen Gesten vom Ärmel seiner Kutte berührt wurde, fuhr sie zusammen. Plötzlich begann sie sogar zu kichern und senkte den Blick. Da neigte er sich zu ihrem Ohr und flüsterte etwas hinein, worauf sie ihn wieder rundäugig anstarrte und mehrere spitze Schreie ausstieß. Was mochte der Mönch dieser Jungfrau erzählen?
Ich gestehe, daß ich versuchte, den sündhaften Wunsch, dies zu erfahren, in die Tat umzusetzen. Die beiden hatten mich nicht bemerkt, als ich mich über den Rand des Beckens beugte. Jetzt bückte ich mich und schlich im Schutz der Beckenwand ein paar Schritte weiter. So entfernte ich mich von der Rinne, aus der das Wasser floß. Schließlich verharrte ich hingekauert und lauschte. Ich konnte nun zwar die beiden nicht sehen, doch die Stimme des Mönchs war deutlich vernehmbar. Er sagte gerade:
„Wenn aber der Papst geboren ist … weißt du, was dann geschehen wird? Dann wird sich der Himmel auftun, und Engel werden unter Posaunenschall …“
Das war leider schon alles, was ich hörte. Eine flinke Zunge fuhr mir ins Ohr, und aus einer Fuge der Beckenwand stieß der Kopf einer scheußlichen Natter. Ich erschrak heftig, raffte mich auf und stolperte ein paar Schritte davon. Dabei hatte ich wohl auch einen Schrei ausgestoßen. Als ich mich umsah, stand lächelnd der schöne Mönch hinter mir.
„Was habt Ihr, Bruder?“
„Schlangen …“
„Oh, die sind harmlos, Ihr könnt unbesorgt sein. Aber wie kommt Ihr hierher?“
„Ich … wir sind Gäste des Herrn Ebrachar. Ich suche die Kapelle, irgendwo in der Nähe soll sie sein …“
„Die kleine Pforte da hinten. Geht hindurch, und Ihr steht davor.“
„Ich danke Euch, Bruder.“
„Gott erhöre Euer Gebet.“
Er lächelte immer noch. Ich stapfte verwirrt davon, an der Mauer entlang auf die Pforte zu. Im Vorbeigehen sah ich, daß die Bank leer war. Die blonde Jungfrau war verschwunden. Ich hätte mich gern nach ihr umgedreht, aber ich wagte es nicht.
Die Kapelle stand gleich hinter der Mauer, und ich erreichte sie von der Pforte aus mit wenigen Schritten.
Auch dieses unscheinbare Bauwerk hatte, wie ich später erfuhr, eine bewegte Geschichte. Ursprünglich war es eine Exedra, eine kleine, schattige Halle, die sich zum Garten hin öffnete. Irgendwann hatte man die Mauer dazwischengezogen, die nun gleichzeitig zu einer Längswand des Raumes wurde. Dafür wurde eine Seitenwand abgerissen und eine Art Pronaos, ein kleiner Vorraum, errichtet, durch den man nun eintrat. Das geschah noch zur Römerzeit, vermutlich hatte man damit den Haussklaven einen Tempel gegeben. Den hatten die Franken dann höhnisch zuerst in ein Waffenlager, danach in einen Kornspeicher, schließlich sogar in eine Latrine verwandelt, bevor sie ihn einfach verfallen ließen. Kürzlich erst war Ebrachar der Gedanke gekommen, ihn wieder
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