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Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Titel: Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Eselsreiter, sondern ein Abgesandter des Königs, dessen Ruhe man respektierte. Als ich mich aber schließlich aufrichtete und die Riemen des Ledersacks löste, um mein Gebetbuch herauszunehmen, hielt er es nicht mehr aus und sagte:
    „Habt Ihr das Weib auf dem Turm gesehen? Habt Ihr bemerkt, wie sie sich schaudernd abwandte, als sie sah, auf welche Weise der Cleph ihren Hammel geschlachtet hatte? Ich habe kein Auge von ihr gelassen, der Hure …“
    Ich schwieg und seufzte nur.
    „Was werdet Ihr jetzt tun, Vater?“
    „Was meint Ihr denn?“ gab ich zurück, indem ich so tat, als verstünde ich nicht.
    „Da Ihr Gerichtsherr seid, könnt Ihr nicht dulden, daß ein Mörder ohne Strafe davonkommt.“
    „In diesem Haus sind wir Gäste, nicht Gerichtsherren.“
    „Der Sohn des Hausherrn wurde umgebracht!“
    „Aber niemand hat Klage erhoben.“
    „Weil es bis heute an Beweisen mangelt. Wenn Ihr …“
    „Es ist nicht Sache des Richters, einem Kläger Beweise zu verschaffen. Ihr kennt Euch in den Gesetzen nicht aus!“ sagte ich ungehalten.
    Ich steckte das Buch in die Tasche, verschnürte den Sack und wollte hinausgehen.
    „Oh doch, ich kenne mich aus!“ sagte er. „Ich war Advocatus, habe früher Kirchen und Klöster in Rechtssachen vertreten.“
    Er lächelte schief, von unten herauf. Überrascht blieb ich stehen.
    „Ist das wahr? Das kann ich nicht glauben.“
    „Es ist aber so.“
    „Und warum spielt Ihr dann heute den Narren und verrichtet niedere Arbeiten?“
    „So habe ich Zeit für die Poesie. Sie hat mich immer mehr angezogen als Kapitularien und Gesetzbücher.“
    „Seid Ihr nur deshalb in den Dienst Eures Schwagers getreten?“
    „Nur deshalb. Aber er ist ein grausamer, dummer Barbar, ich habe genug von ihm. Er hat mir befohlen, in seiner Gegenwart in einer poetischen Sprache zu reden … doch nur, um sich darüber lustig zu machen. Dabei schmeichelt es ihm, einen Dichter in seinem Gefolge zu haben. Nein, lange bleib ich nicht mehr bei ihm. Es gibt große Herren, die mich gern aufnehmen würden.“
    „Nun, umso besser für Euch“, sagte ich und wandte mich abermals der Tür zu.
    „Es scheint mir, Vater“, sagte er gallig, „daß Ihr Euch selber nicht in den Gesetzen auskennt!“
    „Was soll das heißen?“
    „Es kann durchaus geschehen, daß der Richter dem Kläger Beweise liefert. Er kann sogar selbst die Klage vorbringen, wenn er einen Verdacht und Zeugen hat.“
    „Das geschieht nur in besonderen Fällen.“
    „Und warum nicht auch in diesem? Nicht jeder Richter hat die Fragegewalt, Ihr als Vertreter des Königs habt sie. Ihr könnt eine Untersuchung anstellen. Ihr könnt Juratoren benennen, Rügegeschworene, und sie zwingen, unter Eid die Wahrheit zu sagen. Wer eine falsche Aussage macht, verfällt der Strafe des Meineids. Ihr könntet zum Beispiel mich berufen! Unter Eid, vor Männern des Hofgerichts müßte ich sagen, daß Rocco gelogen hat, daß Cleph am Tag des Verbrechens nicht bei uns war, daß die beiden sich verabredet hatten …“
    „Genug!“ sagte ich. „Was redet Ihr da? Wenn Ihr tatsächlich Advocatus wart, müßtet Ihr wissen, daß man ein Rügeverfahren nur dann eröffnet, wenn ein Verbrecher der Allgemeinheit gefährlich wird. Hier aber gibt es keinen Anlaß …“
    „Und wenn demnächst auch der Sigiwald umgebracht wird? Und vielleicht der Pater Fabiolus?“
    „Wozu versteigt Ihr Euch da?“
    „Ich warne nur. Da es einmal so glimpflich ausging, könnten sie Neues planen.“
    „Wer?“
    „Der Mörder und sein Komplize.“
    „Mäßigt Euch!“ sagte ich streng. „Ihr seid voller Haß. Und ich verstehe Euch sogar. Aus welchen Gründen auch immer … Ihr werdet gedemütigt, werdet geprügelt. Doch das berechtigt Euch nicht, Euerm Schwager zu schaden. Im Gegenteil, ihr schuldet ihm Dank, denn Ihr eßt ja sein Brot. Es war hinterhältig von Euch, seine Zeitrechnung zu fälschen, damit er zwei Tage zu früh hier eintraf, am Todestag des Ermordeten. Ihr hofftet auf einen üblen Empfang, vielleicht Streit, und dann wolltet Ihr den alten Verdacht schüren. Und nun glaubt Ihr sogar, mit unserer Hilfe …“
    Ich verstummte, weil Drog plötzlich in ein schrilles Gelächter ausbrach.
    „Nur weiter so, Vater, nur weiter so!“ schrie er. „Undankbar bin ich! Hinterhältig! Der Streiter Gottes, der Richter des Königs tadelt mich, weil ich die Wahrheit suche. Weil ich der Meinung bin, daß ein Mörder bestraft werden muß. Aber was maße ich mir da an? Wer

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