Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
Morgendunst Hügel. Die Ausstattung des kreisrunden Zimmers war überaus prächtig. Manchmal gelang es mir in den Pfalzen, wo ich tätig war, einen neugierigen Blick in eines der königlichen Gemächer zu werfen. Keines war schöner als dieses.
Der Fußboden und die Wände waren mit kostbaren, buntgemusterten Teppichen bedeckt, es gab zierliche Möbel, ein breites Lager mit seidenen Kissen. Wahrhaftig, man wußte nicht, wohin man zuerst blicken sollte!
„Seht Euch nur um! Gefällt es Euch hier? Dies ist meine Zelle. Hier lebe ich wie eine Nonne, fast immer allein!“ schnurrte es hinter mir.
Bis auf ein kleines Kreuz an der Wand war allerdings wenig von frommer Lebensart zu entdecken. Die kupfernen Spiegel, die elfenbeinernen Kästchen voller goldener, mit blitzenden Steinen besetzter Halsbänder, Armreife und Ringe, die zahlreichen Tiegel und Dosen mit den Essenzen der Eitelkeit redeten eine andere Sprache.
„Edle Frau …“, begann ich.
„Nehmt erst einmal hier auf diesem Hocker Platz, Vater“, sagte die Dame, „damit ich zu Euren Füßen sitzen kann.“
Sie legte mir die Hand auf die Schulter und zwang mich mit einem leichten Druck, mich ihrem Willen zu fügen. So saß ich nun vor dem breiten Ruhebett, sie aber ließ sich darauf nieder, halb sitzend, halb liegend, den einen Ellbogen aufgestützt. Aus dem Lockengewirr ihres schwarzen Haars, welches die einzige goldene Nadel nicht bändigen konnte, so daß es Stirn, Wangen und Schultern bedeckte, blickte sie zu mir auf. Ich erwähnte schon, daß ihre Züge recht derb waren. Ihr Kinn war breit, ihr Mund mit den aufgeworfenen Lippen riesengroß, die Augen unter den zusammengewachsenen Brauen standen hervor, als wollten sie gleich herausfallen. Alles in allem ergab das aber eine eigenartige Schönheit, die aus der Entfernung sogar erhaben, aus der Nähe hingegen wild und beunruhigend wirkte. Auf den Körper der edlen Frau wagte ich kaum einen Blick zu werfen. Denn mächtig wölbte er sich unter der fliederfarbenen seidenen Tunika, welche bei jeder Bewegung bedrohlich knisterte und in den Nähten krachte, als wolle sie gleich platzen.
„Verzeiht, meine Tochter …“, versuchte ich es aufs neue.
„Ich weiß, warum Ihr kommt“, sagte sie lächelnd, wobei sie zwei Reihen starker, nicht ganz regelmäßig gewachsener Zähne entblößte. „Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Man hat Euch Verleumdungen über mich zugetragen. Das einsame, gottgeweihte Leben, das ich hier oben führe, ist vielen verdächtig. Sie bezichtigen mich eines heimlichen unkeuschen Wandels. Sie behaupten sogar, mich träfe ein Teil der Schuld am Tode meines geliebten Gemahls. Nichts davon ist wahr! Ihr selbst habt vielleicht schon erfahren, daß sich Menschen, die ihresgleichen meiden und dafür die Nähe Gottes suchen, leicht allen möglichen Anfeindungen aussetzen. Schon während meiner Ehegemeinschaft mit Gundobad zog ich mich auf den Turm zurück, angewidert von den Trinkgelagen und gemeinen Vergnügungen. Hier bin ich allein mit den Wolken und den Vögeln und kann mich ungestört meinen frommen Übungen widmen. Natürlich bin ich noch keine Heilige! Ihr seht ja, von all den überflüssigen Dingen, die nur der Bequemlichkeit dienen und Frauen angenehm sind, kann ich mich noch nicht trennen. Doch werden mir Gott und der Herr Jesus Christus diese kleine Schwäche wohl nachsehen. Ihr hoffentlich auch!“
„Ich bin nicht Euer Beichtvater“, sagte ich. „Geht Ihr denn überhaupt zur Beichte?“
„Manchmal kam der Pater Fabiolus herauf, aber in letzter Zeit wurde er nachlässig. Schon seit Wochen schickte ich immer wieder die Marulla nach ihm … vergebens. Er läßt mich allein mit meinen Sünden!“
Die edle Frau seufzte so schwer, daß auch die fliederfarbene Tunika ächzte und stöhnte.
Ich lenkte meinen Blick aus dem Fenster auf ein vorüberziehendes Wölkchen und sagte fest:
„Könnte es sein, meine Tochter, daß Ihr heute nacht eine Sünde begangen habt, die nicht nur die Aufmerksamkeit eines Priesters, sondern auch die eines Richters verdiente?“
„Ich verstehe schon, worauf Ihr anspielt, Vater“, erwiderte sie, ohne zu zögern. „Aber ist es denn eine Sünde, wenn eine Frau ihre Ehre verteidigt?“
„Natürlich nicht …“
„Wenn sie sich eines Angreifers erwehrt?“
„Auch dann nicht …“
„Wenn dieser Angreifer dabei zu Schaden kommt … ist das vielleicht ein Verbrechen?“
„Nein …“
„Was sollte ein Richter dann von mir
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