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Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Titel: Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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erinnerte mich auch, wie er hinauf nach dem Turmfenster starrte, mit hängender Lippe …
    Warum ließ ich es nicht bei dem Verdacht? Warum suchte ich Bestätigung? Was trieb mich auf diesen Turm?
    Gott allein weiß es. Ich ahne es nur.
    Der ehemalige römische Wachturm besaß jetzt einen Eingang zu ebener Erde.
    Ein wenig mußte ich mich bücken, um durch das halbhohe Türloch hineinzugelangen. Etwa zwei Fuß tief ging es über ein Treppchen hinab in ein dämmriges Erdgeschoß, in dem ich Ratten umherhuschen sah. Die Leiter war lang und führte gleich in den zweiten Stock. Der erste bestand nur aus einem Zwischenboden, wo Vorräte gelagert waren. Ich erklomm die Leiter, die sich unter meiner Last ächzend bog, sie war wohl nur leichte Leute gewöhnt. Durch die offene Luke stieg ich in die Gesindewohnung.
    Matratzen, Stroh, Decken und Felle, ein paar Habseligkeiten, Wasserkrüge – das Übliche. Die Bewohner waren natürlich abwesend. Es gab sechs Fenster, und ich trat gleich an dasjenige heran, welches über der Grube lag. Hier war, wie ich das schon öfter gesehen hatte, aus der Nische eine halbrunde Öffnung herausgehauen, ein windiger Sitz zur Erleichterung des Leibes, der sich offenbar regen Besuchs erfreute, all jener gewiß, die sich nachts nicht auf die schwankende Leiter wagten. Regen und Wind besorgten von Zeit zu Zeit die Reinigung, allerdings waren beide seit Wochen ausgeblieben. Das Fenster war hoch und breit, man konnte leicht einen menschlichen Körper hinausstoßen. Ein Blick hinunter überzeugte mich aber, daß Drog kaum von hier in die Grube gefallen war. Der Strauch, den ich mit meinen wütenden Speerstößen geknickt hatte, kurz bevor ich den Leichnam fand, stand vier bis fünf Fuß seitlich der Lotrechten.
    Plötzlich vernahm ich von oben die bekannte, ein wenig rauhe, aber volltönende Frauenstimme:
    „Bist du es, Marulla?“
    Die Luke an der Decke war offen. Sie lag etwas versetzt gegenüber derjenigen, durch die ich gekommen war. Es gab aber keine Leiter.
    „Nein, ich … ich bin es“, stotterte ich, nicht eben einfallsreich. „Der Diakon Lupus, ein Gast des Herrn Ebrachar.“
    Jetzt fiel mir ein, daß ich nicht einmal wußte, in welcher Eigenschaft ich mich der Dame nähern wollte. Sollte ich ihr erklären, daß ich als Königsbote reiste und daß ich auch außerhalb meines eigentlichen Mandats berechtigt war, tätig zu werden, wenn ich den Frieden, das Recht und die Ordnung in Gefahr sah?
    Ich wurde dieser Mühe enthoben. Über mir näherten sich Schritte. Zwei weiße Säulen, über denen sich wie ein Sonnensegel das fliederfarbene Gewand spannte, ragten am Rande der Luke.
    „Oh, Ihr seid es!“ rief die edle Frau. „Willkommen, willkommen! Wie höflich und aufmerksam von Euch, eine einsame Büßerin zu besuchen. Steigt herauf, ehrwürdiger Vater!“
    Flugs kam schon die Leiter von oben herab. Trotz der freundlichen Anrede packte mich plötzlich Kleinmut, und ich wäre am liebsten umgekehrt. O hätte ich es getan! Ich wandte der Leiter den Rücken und machte auch zwei, drei Schritte in die rettende Richtung, doch da rief die Dame:
    „Wo wollt Ihr denn hin? Ich erwarte Euch!“
    Bei dem Klang dieser Stimme lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich berührte das kleine bronzene Kreuz, das ich immer am Halse trage, und schlug zur Sicherheit auch noch zusätzlich ein paar Kreuze, natürlich so, daß die edle Frau es von oben nicht sehen konnte. Dann trat ich entschlossen an die Leiter und stieg hinauf.
    „Seid vorsichtig! Haltet Euch fest, Vater!“
    Als ich oben aus der Luke kletterte, stolperte ich dennoch und konnte mich gerade noch halten. Die große, weiche Hand der Frau Prisca legte sich stützend um meinen Unterarm. Eine Wolke von unbeschreiblicher Süße und Schwere hüllte mich ein, so daß ich nach Luft rang und husten mußte. Ich berührte nochmals das Kreuz.
    „Hier seid Ihr schon fast im Himmel!“ scherzte die Dame. „Macht es Euch nur bequem!“
    Darauf zog sie an einem Seil, und mit Hilfe eines Flaschenzugs schwebte die Leiter herauf. Ein Tritt auf einen Fußhebel, und mit einem Knall fiel die Klappe herab und verschloß die Luke. Ich zuckte heftig zusammen.
    „So können wir ungestört ein frommes Gespräch führen, Vater!“ erklärte Frau Prisca diese Maßnahme.
    Ich befand mich in einem Raum, der in der Tat einem erdfernen Wolkenheim glich. Auch hier gab es sechs Fenster, und aus allen leuchtete das reine Blau des Himmels herein. Weit in der Ferne sah man im

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