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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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abrückten. Einige Schrate hatten sich zu ihm gesellt und starrten finster. Weder Hug noch einer von seiner Horde ließ sich an diesem Morgen blicken. Auch die Hausherrin blieb unserem Abschied fern, ebenso wie die Frau Luitgard. Nur das traurige Engelsgesicht der Meinrade lugte aus einem Grüppchen von Mägden hervor, doch Heiko wollte der Jungfrau Ärger ersparen und versagte sich deshalb, ihr zuzuwinken.
    „Ich muß gestehen“, bemerkte Odo, als wir nun wieder durch den Wald zogen, „daß diese Thüringer Lebensart haben. Wo immer wir herbergten … so viel Kurzweil wurde uns selten geboten. Bist du nicht auch dieser Meinung, Vater?“

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    N och immer wußten wir wenig von dem Mann, dem unser Herr Karl, der König der Franken und Langobarden, den Grafentitel verliehen hatte und der seitdem im Tannengrund an seiner Stelle die Macht ausübte. Allen Aussagen über Rothari war gemeinsam, daß er unter den Großen der Gegend nicht beliebt war, die ihn als einen der Ihren uns Fremden gegenüber zwar nicht offen herabsetzten, aber doch immer zu verstehen gaben, wie wenig sie von ihm hielten. Umgekehrt schien es nicht anders zu sein. Graf Hademar hatte nur die Schultern gezuckt, als wir ihn fragten, ob Rothari die Verbindung zu seinen Amtsgefährten nördlich des Waldgebirges suche. Der sei viel auf Reisen, erfuhren wir, und kümmere sich nicht um seinesgleichen. Und der eifrige Hademar ließ durchblicken, daß die Vernachlässigung des Straßenbaus wohl nur auf eine allgemeine Trägheit und Schlampigkeit zurückzuführen sei. Dies deckte sich mit dem, was wir von Garibald gehört hatten. Auch wenn der Herr des Rabennests seine selbstsüchtigen Ziele verfolgte, mochten die von ihm benannten Mißstände wohl bestehen. Besser schien es hingegen um die Religion Rotharis bestellt zu sein. Ich hatte den Eindruck, daß auch mein Mönchsgewand und mein geistliches Amt dazu beitrugen, in meiner Gegenwart nicht allzu heftig über ihn herzuziehen. Nur der betrunkene Allard hatte sich vergessen und die Tochter des Grafen der Frömmigkeit wegen geschmäht, zu der sie offensichtlich erzogen war. Auch daß ein Verlobungsvertrag gelöst werden sollte, um dieser Jungfrau einen zwar edelgeborenen, aber unwürdigen Gemahl zu ersparen, sprach für den Grafen. So etwas kommt ja sehr selten vor, und auf jeden Fall zeugt es von Mut, sich die Feindschaft und die Rachegelüste der zurückgewiesenen Sippe zuzuziehen. All dies zusammen ließ mich vermuten, daß Herr Rothari in mehr als einer Beziehung unter den Edlen des Landes eine Ausnahme war. Meine Ahnungen wurden weit übertroffen.
    Schon seine äußere Erscheinung war für einen Thüring höchst ungewöhnlich. Der Mann, der uns den Willkommensgruß bot, ähnelte jenen vornehmen Herren, die man in den alten Städten des gallischen Reichsgebiets antrifft und die sich noch immer als Senatoren bezeichnen, obwohl dieser Rang längst abgeschafft ist. Er war etwa fünfundvierzig Jahre alt, mittelgroß, hager und hatte den prächtigen Schädel alter Römerskulpturen. Seine edel gezeichneten, etwas verbitterten Züge waren die eines im Kloster gealterten Prinzen, den man von der Thronfolge ausgeschlossen hat. Das graue Haar trug er gewellt und nach vorn gekämmt, um die Kahlheit seiner Stirn zu verdecken, der Bart war ebenfalls künstlich gelockt und sorgsam gestutzt. Goldene Fibeln und Knöpfe gab es an seinem Gewand in Fülle, die schlanken Hände waren mit kostbaren Ringen geschmückt. Seine Kleider entsprachen zwar der Landessitte, waren aber nicht aus dem gewöhnlichen selbstgefertigten Wollstoff grob zusammengenäht, sondern aus feinem Tuch, fachmännisch zugeschnitten, mit zierlichen Borten gesäumt und mit Nähten, die fast unsichtbar waren. An seiner Brust trug der Graf eine Reihe von silbernen Pfeilspitzen, was hier als Herrschaftszeichen gilt.
    Herr Rothari empfing uns mit großer Herzlichkeit, entschuldigte sich für die Ungelegenheiten, die wir gehabt hatten, vermied es jedoch zunächst, auf die Vorfälle im Rabennest näher einzugehen. Er sagte nur, daß sein Sohn, der in der Frühe glücklich heimgekehrt sei, ihm alles berichtet habe. Da wir erwartet wurden, waren die nötigen Anordnungen schon getroffen, und während unser Gefolge seine Unterkunft bezog und unsere Tiere in die Ställe geführt wurden, geleitete uns der Graf in seine Wohnung. Hier gab es eine weitere Überraschung, die um so größer war, als sich das gräfliche Anwesen auf den ersten Blick kaum von anderen

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