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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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ganz leicht, doch zunehmend stärker – eine Abneigung gegen den Grafen faßte. Einmal, als sich Rothari (ich räume ein, etwas zu volltönend) als einen der weltkundigen Männer bezeichnete, die die Zügel des müden Gauls Thüringen in die Hand nehmen müßten, konnte ich ihn nur durch heftiges Räuspern daran hindern, harsch dazwischenzufahren. Vermutlich wollte er fragen, warum die Straße noch nicht gebaut sei, auf der sich der müde Gaul in Galopp setzen könne. Ich fand aber, daß wir es hier nicht anders als überall halten sollten – nämlich den ersten Tag unseres Aufenthalts ganz unserem Gastgeber zu überlassen. So konnten wir ihn kennenlernen und studieren, selbst aber unser Wissen über ihn und das Mandatsgebiet vervollständigen und damit mehr Einsicht und Urteil gewinnen. Für die unangenehmen Dinge war später noch Zeit. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir damit sogar mehrere Tage, eine Woche oder noch länger gewartet. Auch ich hatte ja seit langem mit niemand gesprochen, der den Vergil zitieren konnte. Welche Gelegenheit – besonders nach dem, was wir gerade erlebt hatten!
    Über die Vorgänge im Rabennest war auch nach Stunden unseres Aufenthalts bei Rothari kaum gesprochen worden. Nur einmal, als die Tochter des Grafen, Fräulein Eddila, hereinkam, um uns vorgestellt zu werden, ließ es sich nicht vermeiden. Die edle Jungfrau war aus der Hauskapelle gekommen, wo sie, wie sie sagte, ‚lange und inbrünstig‘ für die Genesung ihres Bruders und Herrn Irmos gebetet hatte. Herr Rothari bemerkte daraufhin, sie könne jetzt ruhig von ihrem künftigen Bräutigam sprechen, da sich der Allard vom Rabennest in dieser Nacht ja zu Tode gestürzt habe. Er sagte dies mit der Sicherheit des genau Unterrichteten, woraus sich schließen ließ, daß ihn auch die Kunde von der Bergung des Leichnams schon vor unserer Ankunft erreicht hatte. Denn wir selber hatten darüber nichts mitgeteilt. Fräulein Eddila gestand dann schüchtern, sie habe auch für das Seelenheil des Allard gebetet. Ihr Vater belobigte sie dafür und wurde plötzlich heiter, als er ihr mitteilte, Thankmar und Irmo seien sogar schon so weit wiederhergestellt, daß sie sich in einer wichtigen Angelegenheit auf den Weg machen konnten. Und als sie ihn fragte, um was es sich handle, tat er geheimnisvoll, küßte sie zärtlich und bat um Geduld. Nur so viel wollte er schon verraten: daß ihr am selben Tag noch eine große Freude bevorstünde.
    Das Fräulein Eddila schlug die Augen nieder, kicherte verlegen und huschte hinaus. Sie war ihrem Bruder ähnlich – helläugig, blondgelockt, doch sehr dünn, und ihre Haltung war ebenso linkisch. Ihr langer Rock war in Höhe der Knie deutlich abgewetzt, was auf ausgedehnte Aufenthalte vor Gottes Altar schließen ließ. Schmuck schien sie zu verschmähen, sie trug nicht einmal Ohrringe oder ein Halskettchen, auch nichts am Gürtel. Es war nicht leicht, sich den strahlenden Recken Irmo und dieses unscheinbare Geschöpf als Paar vorzustellen.
    Herr Rothari warf ihr jedoch einen zufriedenen Vaterblick nach und ließ uns wissen, daß sie große Talente besitze. So sei sie eine Schreibkünstlerin, die es mit den Besten in den Schreibstuben der Klöster aufnehmen könne. Er selber habe sie unterrichtet, doch sei sie als Schülerin längst über ihn hinausgewachsen. Auch jetzt eile sie in ihre Kammer, um sich ans Pult zu setzen und an einem Epistolarium zu arbeiten, das sie ihm zum Weihnachtsfest schenken wolle.
    Einen Augenblick schien der Graf zu überlegen, ob er uns vielleicht noch eine Erklärung schulde. Er sagte dann aber nur, da wir den Allard und seine Sippe kennengelernt hätten und selber Zeugen ihres niederträchtigen Benehmens gewesen seien, würden wir wohl verstehen, daß er nach dem Tode des jungen Mannes keine Trauer empfinde. Der habe zwar zu seiner Gefolgschaft gehört, doch sei er die meiste Zeit, weil kaum zu verwenden, beurlaubt gewesen. Die Verlobung mit Eddila sei wie auch die seines Sohnes mit Garibalds Tochter nur ein untauglicher Versuch gewesen, mit den Rabennestleuten, unverbesserlichen Störenfrieden, in ein Einvernehmen zu gelangen. So könne er nicht bedauern, wie alles gekommen sei. Zweifellos, fügte er milde hinzu, sei der Unglückliche kein vollkommen nutzloser Mensch gewesen. Er habe vor einiger Zeit eine Riesenforelle geangelt, die größte, die je in den Wildwassern des Tannengrunds gefangen wurde. Und aus einem Wettbewerb im Biertrinken, den die Gefolgsleute des

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