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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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darauf antworten zu können“, erwiderte Odo, den die Betrachtungen des Grafen wenig beeindruckt hatten, „müßten wir erst die Geschichte hören. Macht Euch um unsere Geduld nur keine Gedanken! Nach allem, was wir schon wissen, ist die Geschichte auch keineswegs langweilig, sondern verspricht im Gegenteil, sehr interessant zu werden.“
    „Ah, Ihr wißt schon etwas?“ fragte Herr Rothari argwöhnisch.
    „Genug, um gespannt zu sein, was Ihr hinzufügen werdet.“
    „Garibald hat Euch Lügen erzählt.“
    „Deshalb wollen wir ja von Euch die Wahrheit hören.“
    „Er hat mich also verleumdet!“ fuhr der Graf auf.
    „Euch? Von Euch war dabei überhaupt nicht die Rede. Kommt Ihr denn in der Geschichte auch vor?“
    „Das nicht, deshalb fürchte ich ja Verleumdungen“, sagte Herr Rothari verlegen. Und etwas erleichtert, wie mir schien, fügte er hinzu: „Wenn überhaupt, war ich als Amtsperson beteiligt.“
    „Erzählt also!“
    „Wenn Ihr mir sagtet, was Euch bekannt ist, wäre es leichter.“
    „Nun, was wir wissen, ist dies“, sagte ich, obwohl mir Odo hinter Rotharis Rücken Zeichen gab, ich solle den Mund halten. „Wir hörten, daß Irmo der Sohn eines Totschlägers namens Meginfred genannt wurde, der seine Tochter Luitgard verkaufen mußte, um das Wergeld aufbringen zu können. Das waren allerdings Allards, nicht Garibalds Worte, der es viel milder ausdrückte und uns sogar auf die vornehmen Ahnen der edlen Frau hinwies. Von den letzten Königen der Thüringer war die Rede. Deren später Sproß, dieser Herr Meginfred, muß allerdings tief gesunken sein, denn man riß freche Witze über ihn. Falls wir ihn aufsuchen wollten, wurde uns angeraten, einen Sack Korn zum Mahlen mitzunehmen. Er ist doch nicht etwa Müller?“
    Der Herr Rothari hatte, während ich sprach, ein paarmal mit ernster Miene genickt. Jetzt deutete er auf einen Punkt am gegenüberliegenden Berghang.
    „Dort seht Ihr die Reste seiner Mühle. Dort haust er.“
    Ich mußte meine Augen sehr anstrengen, um unter der dichten Bewaldung das glitzernde Band eines Wildbachs zu erkennen. An einer Stelle schien tatsächlich ein Schaufelrad ins Wasser zu greifen. Doch es war wohl beschädigt und stand still.
    „Ein seltsamer Kauz, der Meginfred, heruntergekommen und halb verrückt“, fuhr der Graf fort. „Nein, Müller ist er nicht, doch die Mühle dort ist sein Palast, und wenn seine Ahnen tatsächlich Könige waren, wie er behauptet, werden ihre Seelen aus Verzweiflung darüber keine Ruhe finden. Dabei war er einmal ein reicher Mann … oder besser sollte ich sagen: ein reicher Jüngling. Denn er erbte zu früh, in einem Alter, da man bedenkenlos und verschwenderisch ist. Er veranstaltete Gelage, lud zu glänzenden Jagden ein, hatte immer mehrere Frauen und fuhr sogar auf einem eigenen Schiff auf der Saale und der Elbe spazieren. Das war teuer und brachte ihn bald herunter. Nach und nach ging alles dahin: mal ein Stück Wald, mal eine Wiese, mal eine Schafherde, hier eine Hufe mit Behausten, dort ein kleines Dorf. Bald begriff er, was ihm drohte. Aber noch immer war er unfähig, sich zu ändern. Statt das wenige, was ihm geblieben war, klug zu verwalten, um sich und den Seinen das Auskommen zu sichern, suchte er nach einem Mittel, das Verlorene zurückzugewinnen, vielleicht sogar neue Reichtümer zu sammeln. Eines Tages, es war auf dem Wege zu einer Reichsversammlung, zu der man ihn damals noch aufbot, sah er im alten Dekumatland {13} eine prächtige Wassermühle, eine mit riesigem Schaufelrad. Von Stund an beherrschte ihn nur noch ein Gedanke: So eine mußte er haben! So eine mußte hierher, auf das letzte verbliebene Stückchen seines Besitzes, durch das der Wildbach fließt, wie Ihr dort seht. Natürlich ist eine Mühle sehr nützlich, aber den Meginfred ruinierte sie. Er verkaufte vom Übriggebliebenen nochmals die Hälfte und ließ fränkische Bauleute kommen. Bald stand die Mühle, doch die Erwartung, dank ihrer Wunderkraft würden sich die Säcke mit Korn, die man brachte, in hübsche Beutel voller Solidi und Denare verwandeln, erfüllte sich nicht. Der arme Tor! Er hatte nicht bedacht, daß es hier kaum Getreidebau gibt, dazu jedes zweite Jahr eine Mißernte. Die Bauern begnügten sich mit ihren alten steinernen Drehmühlen … wozu sollten sie ihr bißchen Korn dort hinaufschaffen? Auch den Herren ringsum war der Weg zu weit. Ich ließ ab und zu etwas hinbringen, weil die Mühle ja hier ein Fortschritt war, den ich fördern

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