Odo und Lupus 04 - Die Witwe
dabei! Das kommt ja alles. Würdet Ihr mich nicht dauernd unterbrechen, Vater, dann wüßtet Ihr's schon! Aber ich kann ja aufhören. Vielleicht wollt Ihr lieber, daß es Herr Odo erzählt. Der kann es natürlich besser …“
Wie ertrage ich nur diesen ständig beleidigten, rechthaberischen Nörgler! Obwohl ich fast vor Spannung verging, mußte ich sein Gezeter anhören und ihn schließlich geradezu demütig bitten fortzufahren – mit dem Anfang oder womit auch immer.
„Also der Bauer, Rouhfaz … er wollte zum Grafen. Und was war nun sein Anliegen?“
„Er sagte, es sei Lärm in der Schenke, und Herr Meginfred, der Vater des umgebrachten Herrn Irmo, sei betrunken und schreie immer: ‚Er ist tot! Der Hund ist tot!‘ Und er selber hätte ihn totgeschlagen.“
„Wen totgeschlagen?“
„Na, den jungen Herrn Hug vom Rabennest. Er hätte es selber getan. Hätte ihn aufgespürt in seiner Waldhütte und …“
„Was? Wie denn das?“
„So wartet doch, Vater, es kommt, es kommt! Er sitzt also in der Schenke beim Becher und hält solche Reden. Schwatzt auch von seinem Sohn Irmo, dem letzten Königssproß, der nun in Wodans wildem Heer diene und anderes gottloses Zeug. Schließlich fängt er sogar an zu raufen, weil ihn einige auslachen und nicht glauben wollen, daß er den Hug …“
„Das alles erzählte euch der Bauer!“
„Ja, und deshalb wollte er zum Herrn Grafen. Damit der mit ein paar Leuten zur Schenke käme und Ordnung schaffe. Doch der Herr Graf war ja mit seiner Tochter …“
„Wie ging es weiter?“
„Da sprang Herr Odo vom Tisch auf und rief, der Bauer solle ihn hinführen. Und er nahm Heiko, Fulk und die Recken mit, und ich lief hinterher und auch die Männer vom Gefolge des Herrn Grafen …“
„Was geschah nun in der Schenke?“
„Als wir näherkamen, hörten wir schon Geschrei und Gelärme. Und als wir oben waren – die Schenke liegt nämlich auf einem Hügel –, da kam uns schon der Herr Garibald entgegen … mit rollenden Augen, Blutspritzern auf dem Wams und einem blutigen Sax {23} in der Hand. Und hinter ihm wurde ‚Mörder!‘ gerufen.“
„Und weiter?“
„Er warf dem Herrn Odo das Schwert vor die Füße und brüllte: ‚Da habt Ihr's! Damit hab ich's getan!‘ ‚Was habt Ihr getan?‘ schrie Herr Odo. ‚Gerechtigkeit hab ich geübt – an diesem Schurken von Meginfred, dem Mörder meines Neffen, dem Todfeind unserer Familie!‘ Da befahl Herr Odo, ihn festzunehmen, weil er raste und Schaum vor dem Mund hatte und völlig außer sich war und man nicht wissen konnte …“
„Und dann? Und dann?“
„Dann gingen wir alle in die Schenke hinein. Das sind eigentlich nur ein paar Tische und Bänke unter dem dichten Gezweig einer Eiche, die Wurzeln ragen fußhoch heraus … und mit dem Kopf auf einer der Wurzeln lag der Herr Meginfred – totgestochen. Das heißt, er war eigentlich noch lebendig, aber das Blut floß aus seinen Wunden, und er sprach nichts mehr, und dann war es aus. Und Herr Odo befragte nun die Bauern, die alles gesehen hatten, und ich mußte ihm alles übersetzen, weil sie ein schauderhaftes Diutisk sprechen. Ich war nämlich schon früher einmal in dieser Gegend, wie Ihr ja wißt, und deshalb …“
„Was erfuhr nun Herr Odo?“
„Zuerst redeten alle durcheinander, und man erfuhr gar nichts. Aber dann schoben sie plötzlich einen vor, so einen triefäugigen Rotschopf, und der sagte, er hätte es schon woanders gehört, nicht erst von Herrn Meginfred …“
„Was gehört?“
„Na, daß der Hug tot war, in seiner Hütte niedergestochen. Es seien nämlich drei junge Edle, Adalinge, wie sie hier heißen, bei seinem Herrn zu Gast gewesen, und die hätten getrunken und erzählt, oben in seiner Hütte sei ihr Anführer umgebracht worden, und ein fränkischer Mönch habe es getan, doch der sei auch dabei draufgegangen. Und sie hätten den Hug nach altem Brauch im Feuer bestattet, den Mönch gleich mit.“
„Sieh mal an! Ich wurde also bestattet. Wie rücksichtsvoll!“
„Wir dachten auch gleich an Euch und waren besorgt, denn Ihr wart ja noch nicht zurückgekehrt. Herr Odo schickte sofort einen Trupp los, um die drei jungen Adalinge zu fangen. Aber die waren schon nicht mehr da, waren weitergezogen. Ihr Wirt wußte nicht wohin und konnte sich überhaupt an nichts erinnern.“
„Und wie kam es nun dazu, daß Herr Meginfred …?“
„Wartet doch! Das kam so: Dieser triefäugige Satan war zuerst zu Herrn Meginfred gerannt, der
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