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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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beschreiben wollte. Da sagte Herr Garibald, seine Tochter wisse Bescheid. Inzwischen war es aber schon Nacht, und so konnte Herr Odo erst in der Frühe aufbrechen. Eigentlich wollte er nur die Recken mitnehmen. Aber der Heiko ließ nicht locker – er wollte unbedingt mit hinauf. Bildet Euch darauf nichts ein, Vater! Nicht Euretwegen war er so eifrig. Nein, das war er nur dieser Jungfrau wegen! Stellt Euch vor, er ist in sie verliebt …“
    Das Geplauder des Rouhfaz machte mich schläfrig, und ich wollte mich gerade zur Seite drehen, als ich von der Stiege her Schritte hörte. Es war Odo.
    Mit einem schweren Seufzer ließ er sich auf einem der Weinfässer nieder, die längs der Wände aufgereiht waren.
    „Bald sind wir allein in diesem Unglückstal, Vater. Heiko ist gerade zurückgekehrt.“
    „Was heißt das? Wart ihr denn nicht zusammen?“
    „Nein. Ich bin schon seit gestern abend hier. Er hat den ganzen Tag und die Nacht lang nach der Meinrade gesucht. Heute morgen erst fand er sie.“
    „Und wo?“
    „Auf dem Grunde des Waldsees. Mit einem Stein um den Hals.“

11
    D ie Dingstätte war, wie anderenorts auch, ein ehemaliger germanischer Opferplatz. Es war eine Wiese, an einem Berghang gelegen, feierlich von Fichten und Tannen gesäumt. Ein wenig erinnerte sie an die römischen Theater, die man noch hie und da auf der anderen Seite des Rheins findet. In aufsteigenden Reihen lagerte vor uns die Versammlung der Dingpflichtigen, während wir, das Gericht, uns auf einem kreisrunden Platz unter einer mächtigen alten Linde niederließen.
    Es war erst der vierte Tag nach meinem unglückseligen Abenteuer, doch hatte ich mich so weit erholt, daß ich hoffen konnte, den Anstrengungen eines Gerichtstages gewachsen zu sein. Der Ort lag nur zweihundert Schritte oberhalb von Rotharis Salhof, aber diesmal hatte mich mein Grisel hinauftragen müssen. Mit dem einen Arm auf Rouhfaz gestützt, unter dem anderen meine Kodizes mit Aufzeichnungen über das thüringische Volksrecht, hinkte ich zu meinem Richterstuhl. Sehr hinderlich war allerdings, daß ich nicht in der Lage sein würde, während der Verhandlung mein Fragerecht wahrzunehmen. Meine Lippe war noch immer geschwollen und mit eitrigem Schorf bedeckt, und mein Unterkiefer weigerte sich beim Sprechen beharrlich, der Geschwindigkeit der Zunge zu folgen. So mußte ich diesmal ein stummer Richter bleiben, ohne Aussicht, in den Gang des Geschehens einzugreifen. Nur an den Beratungen über die Urteilsfindung würde ich teilnehmen können.
    Die Adalinge und Freien, die hier dingpflichtig sind, waren in großer Zahl erschienen. Es mochten über dreihundert sein. Das hatte seine Ursache sicher einerseits im ‚bannum ad placitum‘, der richterlichen Ladung, mit der Androhung von Bußen für den Fall des Ausbleibens. Dies wäre ja einer Verweigerung des Treueids gleichgekommen, der vor der Versammlung abgelegt werden sollte. Andererseits waren die meisten neugierig, ob fränkische Richter, die zum ersten Mal im Tannengrund walteten, ihrer Aufgabe gewachsen sein würden. Alle warteten natürlich darauf, daß die jüngste Kette gewaltsamer Todesfälle zur Verhandlung käme. Herr Garibald war von uns in Haft genommen, was die meisten als unerhört empfanden. Er sollte als Angeklagter in den Ring, nachdem er vor kurzem noch als Kläger auftreten wollte. Der Herr des Rabennests war zwar nicht gerade beliebt, doch gab es viele, die seine Tat billigten, die ihn verachtet hätten, wäre er müßig geblieben. Als er jetzt, von unseren Recken begleitet, erschien, begrüßten ihn lebhafte Zurufe, die an Feldgeschrei erinnerten.
    Es begann mit Verspätung. Der Graf Rothari verzögerte sein Erscheinen, offenbar mit Absicht. Er war am Tage zuvor ermattet und übellaunig von seiner Reise zurückgekehrt, was er vor uns kaum zu verbergen suchte. Von seiner liebenswürdigen Aufmerksamkeit bei unserem Empfang war nichts übriggeblieben. Er behandelte uns wie beliebige lästige Fremde, die seine Gastfreundschaft über Gebühr mißbrauchten, fast so, als seien wir es gewesen, die alle seine Pläne durchkreuzt hatten. Daß es weitere Mordfälle gab, veranlaßte ihn zu bitterem Spott über unsere ‚ordnungstiftende‘ Anwesenheit, und wegen der Festnahme Garibalds kam es zwischen Odo und ihm sogar zu einem heftigen Wortwechsel. Rothari wollte den Herrn des Rabennests unverzüglich auf freien Fuß setzen. Um ihn daran zu hindern, mußte Odo ihm schon mit dem Hofgericht drohen, weil er mit einem

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