Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
Totschläger, der öffentlich einem Königsboten Vergeltung angekündigt hatte, gemeinsame Sache machte. Rothari fügte sich zähneknirschend, verlangte jedoch, daß eine Klage gegen Garibald vorerst nicht zugelassen werde. Zunächst müsse durch eine Untersuchung festgestellt werden, ob Meginfred nicht vielleicht doch der Mörder des Hug gewesen sein könne. Offensichtlich wollte er Zeit gewinnen, um nach unserer Abreise alles nach seinem Ermessen zu regeln. Odo lehnte denn auch diese Forderung rundweg ab, wobei er natürlich verschwieg, daß wir den wirklichen Mörder längst kannten oder zumindest zu kennen glaubten. Auch unsere Leute hatten eisern Stillschweigen bewahrt, der Name des Thankmar war niemand über die Lippen gekommen. Der Graf beendete dann seinerseits das Gespräch mit einer Drohung. „Ihr werdet schon sehen, was Euch das einbringt, ich habe mächtige Freunde bei Hofe!“ rief er Odo zu. Dann verfügte er, dem Herrn Garibald eine bessere Unterkunft zuzuweisen, und noch am Abend suchte er ihn dort zu einer vertraulichen Unterredung auf.
    Endlich betrat Rothari als letzter die Dingstätte. Auch ihn empfingen Beifall und Zurufe. Das galt dem Thüring und örtlichen Machthaber und war wohl als Herausforderung an uns zu verstehen. Der Graf genoß die seltene Volkstümlichkeit, winkte gönnerhaft und verneigte sich. Dann begab er sich zu der Bank der scabini, die seitlich von unseren Richterstühlen aufgestellt war und auf der schon ein paar alte Rechtskundige hockten. Hier ließ er sich nieder, wobei er den Versammelten mit einer spöttischen Geste bedeutete, daß man ihm zwar einen niedrigen Platz zuweisen, ihn damit jedoch nicht erniedrigen könne. Mir nickte er kurz und förmlich zu. An Odo aber sah er vorbei, und auch mein Amtsgefährte tat so, als habe er nie etwas mit dem Grafen Rothari zu tun gehabt.
    Wir begannen den Gerichtstag mit der Eidabnahme, so wie wir es anderenorts auch getan hatten. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, daß die rebellischen Geister, die es ja überall gibt, sich unter dem Eindruck eines gerade geleisteten Schwurs zurückhalten und damit im allgemeinen ein störungsfreier Ablauf der Verhandlungen gesichert ist. Odo, behelmt und im vollen Waffenschmuck, winkte zwei Priestern, die einen Reliquienschrein in den Ring trugen. Dann hieß er die Männer in langer Reihe vorüberziehen, den Schrein berühren und ihm dabei die Formel nachsprechen, die mit den Worten beginnt: „Durch diesen Eid verspreche ich, meinem Herrn, dem sehr frommen König Karl, Sohn des Königs Pippin und der Bertha, treu zu sein …“
    Es gab keine Zwischenfalle. Der Graf trat als erster an den Schrein und sprach die Formel, indem er auch jetzt Odos Blick vermied und den seinigen nach dem Himmel richtete. Herr Garibald und Herr Gumbracht vom Geierkamm schworen mit trotzigen Mienen. Es gab auch Herren, die hochmütig oder amüsiert dreinschauten, als ließen sie sich dazu herab, eine seltsame Herrscherlaune zu befriedigen. Die einfachen Bauern näherten sich ehrfürchtig, mit tiefen Verbeugungen, und sprachen die Formel mit kurzem Atem und stotternd, und manchmal fragten sie schüchtern nach, weil sie die vorgesprochenen Worte nicht verstanden hatten. Dann mußte Rouhfaz einspringen und in ihr thüringisches Diutisk übertragen. Er saß neben Odo und notierte Namen, Vatersnamen und Stand eines jeden, der an den Schrein trat. Inzwischen befinden sich diese Listen schon in der Hofkanzlei. Die Verschwörer um Hartrat hatten sich seinerzeit darauf berufen, dem König keinen Treueid geleistet zu haben. Niemand, der in unseren Verzeichnissen steht und den es dennoch irgendwann einmal nach Aufruhr gelüsten sollte, wird so etwas dann noch behaupten können.
    Als der letzte geschworen hatte, waren mehrere Stunden vergangen, und so beschlossen wir, keine Pause zu machen. Am Ring drängten sich die Klägerparteien. Von den Beklagten war, wie gewöhnlich, nur der geringere Teil erschienen. Diejenigen, die zum Stand der Freien gehörten, saßen unter den Dingpflichtigen. Fast ausschließlich ging es bei ihnen um Erbstreitigkeiten. Die Unfreien waren dagegen meist des Stehlens, Zündelns oder des verbotenen fleischlichen Umgangs bezichtigt. Von ihnen war nur ein kleines Häuflein anwesend. Die übrigen wurden von ihren Herren vertreten, die im Fall der Verurteilung ja ohnehin die Buße zu zahlen hatten und zu diesem Schaden nicht noch den ganztägigen Verlust der Arbeitskraft ihres Unfreien hinnehmen wollten.
    Ein

Weitere Kostenlose Bücher