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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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wenn Ihr könnt!“ rief Garibald.
    „Herr Meginfred wurde von uns beobachtet. In der Nähe der Mühle standen Posten.“
    „Er konnte ihnen heimlich entwischen!“
    „Dann bliebe ein zweites, entscheidendes Hindernis: Er kannte den Weg nicht.“
    „Er wird ihn ausgespäht haben!“
    „Sehr unwahrscheinlich, Herr Garibald! Die Hütte – es gibt sie ja nicht mehr – lag gut versteckt auf einer winzigen Lichtung. Tief im Wald, am Rand eines Steilhangs. Kein Weg führte hin. Hug hatte die Hütte erst kürzlich erbaut. Hier genoß er die Freiheit eines Banditen.“
    „Ihr beleidigt den Toten!“
    „Von dieser Hütte wurden Raubzüge gegen Bauern der Umgebung und gegen die Sorben jenseits der Saale geführt. Wir fanden unter den Trümmern erbeutetes Gut und in der Nähe frisch verscharrte Leichen. Alte und Schwache, die nicht mehr weiterkonnten, wurden dort oben ermordet. Die anderen wurden an Händler verkauft. Ihr und Euer sauberer Neffe hattet also allen Grund, den Ort geheimzuhalten, wo sich die Hütte befand. Nicht etwa aus Furcht vor dem König, der Frieden mit seinen sorbischen Nachbarn wünscht und sie deshalb nicht schädigen und herausfordern will. Euer schändliches Treiben wurde von anderen Herren beobachtet, was ohne Zweifel ihren Neid erregte. Ihr mußtet die Beute gut verstecken, damit sie euch nicht abgejagt wurde. Außer Hug und seiner schlimmen Gefolgschaft kanntet also nur Ihr den Weg. Oder wußte sonst noch jemand Bescheid?“
    „Nun, das ist Euch doch bekannt!“ sagte Garibald schroff, nachdem er einige Male vergebens aufbegehrt hatte. „Meine Tochter, die Euch hingebracht hat.“
    „Richtig! Sie kannte den Weg seit einigen Tagen. Sie mußte den Hug, dem auf der Flucht meine Lanze den Schenkel verletzt hatte, mit stärkender Nahrung versorgen und ihn pflegen …“
    „Ich habe erst heute erfahren“, warf Garibald heftig ein, „daß sie noch nicht wieder zu Hause ist. Wollt Ihr der Versammlung erklären, Herr Odo, wie eine Jungfrau, die Euch anvertraut wurde, in einem Kloster verschwinden kann?“
    „Dazu kommen wir gleich“, sagte Odo unbeirrt. „Zunächst einmal stellen wir fest, daß außer Hug und seiner Bande nur Ihr und Eure Tochter den Weg kanntet. Hug lag verletzt in der Hütte, Euch nehme ich aus. Glaubt Ihr, daß eine der anderen Personen den Meginfred hingeführt hat?“
    „Nein! Ich sage nochmals: Er muß den Weg selber gefunden haben!“
    „Und ich antworte Euch: unmöglich!“
    „Warum unmöglich? Herr Lupus war schließlich auch dort oben. Er sieht nicht gerade wie ein hurtiger Kletterer aus und ist auch noch fremd hier. Wie schaffte er es, den Weg zu finden?“
    „Er schaffte es, weil er dem Mörder folgte.“
    Garibald starrte erst Odo, dann mich an, als habe er sich verhört.
    „Was sagt Ihr da?“
    „Der Mörder führte ihn hin. Er gewann unterwegs beträchtlichen Vorsprung. Als mein Amtsgefährte die Hütte erreichte, hatte er schon die Tat vollbracht und war wieder verschwunden.“
    „Wer war es? Hat ihn Herr Lupus erkannt?“
    „Herr Meginfred war es nicht.“
    „Den Namen!“
    „Wir wollen, daß er sich selber nennt.“
    Ein Raunen ging durch die Versammlung, das im Verlauf von drei Atemzügen zu einem Brausen anschwoll. Dem heftigen Wortwechsel zwischen Odo und Garibald waren alle mit offenen Mündern gefolgt. Es war ungewöhnlich für diese Thüringer, daß sich der Richter in einen langen Disput mit dem Angeklagten einließ. Nach altem Brauch fand hier die gerichtliche Auseinandersetzung nur zwischen den beiden Parteien statt. Viele hatten nicht alles verstanden, was Odo in seinem rheinischen Diutisk gesagt hatte, und so wurde jetzt hastig hin- und hergefragt. Als alle begriffen hatten, daß der wahre Mörder des Hug den Richtern bekannt war, trat urplötzlich wieder Stille ein. Die letzten Schwätzer wurden niedergezischt.
    Vergebens suchte ich jetzt den Thankmar unter den Dingteilnehmern. Bei der Eidleistung hatte ich ihn gesehen. Er wirkte verstört und noch linkischer als gewöhnlich. Seine geröteten Augen, zerzausten Haare und schmutzigen Kleider zeugten von schlaflosen Nächten und seelischer Not. Von Heiko wußte ich, daß er einsam umherstrich und sogar die Gesellschaft seines Freundes mied. Wo war er jetzt? Wenn er noch anwesend war, blieb er stumm. Ebenso stumm wie seine Komplizin, die inmitten der Klägerpartei im Ring saß. Nur durch das ruhelose Spiel ihrer Hände verriet sie etwas von ihrer Erregung.
    „Ich hoffe, er findet noch

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