Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
war groß. Ich nahm mir auch vor, beim Verhör wenig Umstände mit ihm zu machen.
Heiko berichtete mir den Hergang seiner Ergreifung. Es war einer der Musikanten, der unsere Leute auf die Spur brachte. Griffo hatte ihn zum Osttor geschickt, um einem Vertrauensmann unter den Wächtern eine Botschaft zu übermitteln. Der Mann sollte eine Ablösung fortschicken und auf dem Posten bleiben, um das seit Einbruch der Dunkelheit geschlossene Tor den Flüchtigen zu öffnen. Griffo mußte sich vorher, wie unser Sachse vermutet hatte, durch einen Schmied von der Kette befreien lassen. Das kostete Zeit, und als die drei Schufte endlich, weit nach Mitternacht, mit dem Maultier am Tor erschienen, war längst eine andere Ablösung aufgezogen: Heiko und seine Leute, verstärkt durch den zuverlässigen Friesen. Die drei Burgunder versuchten zu fliehen, wobei einer durch einen Pfeilschuß getötet wurde. Griffo und der andere liefen zum Fluß hinunter. Sie sprangen in ein Boot, doch kamen sie gerade noch dazu, die Ruder zu packen. Nach einem kurzen Scharmützel im flachen Wasser konnten sie überwältigt werden.
Ich wollte gleich in der Halle mit einer scharfen Befragung beginnen. Aber Rouhfaz lugte aus einer Tür und gab mir Zeichen, ich möge Rücksicht nehmen. Odo war endlich eingeschlafen.
So befahl ich, die Kerle in die Küche zu bringen. Zwei Pfeiler, um sie dort anzuketten, standen ja noch.
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F riß das, und fahr zur Hölle!“
Fulk nahm einen Löffel voll von der gelblichen, breiigen Flüssigkeit, griff mit der anderen Hand in das Kraushaar des Kochs und machte Anstalten, dem Gefesselten einen Happen des Garums in den Mund zu stoßen. Der Rest der tödlichen Fischsoße befand sich noch in einer Schüssel, die Heiko vorsichtig mit beiden Händen hielt, so als glühe sie. Griffo preßte die Zähne zusammen und drehte heftig den Kopf zur Seite.
Bis jetzt hatte er alle meine Fragen mit verstocktem Schweigen, Beschimpfungen und Flüchen beantwortet. Nach einer Weile war Fulk hinaus in den Garten gegangen und hatte sich eine Gerte geschnitten. Aber auch Schläge konnten die Zunge des Kochs nicht lösen. Nun versuchten es unsere Leute mit einem stärkeren Mittel. Meine Geduld war so erschöpft, daß ich sie widerspruchslos gewähren ließ.
„Friß!“
Fulk schmetterte dem Koch die Faust auf das Kinn, so daß der genötigt war, den Mund aufzureißen. Schon fuhr der Löffel hinein. Aber Griffo streckte die Zunge heraus, blökte wie ein Vieh und warf den Happen wieder aus.
„Sollen wir weitermachen, Vater?“
„Wartet!“ sagte ich seufzend.
Ich saß auf einem Hocker, drei Schritte vor dem Pfeiler, an den der Missetäter gefesselt war. Er atmete schwer, seine nackte Brust war mit blutigen Striemen bedeckt.
„Du scheinst keinen Appetit auf die selbstbereitete Köstlichkeit zu haben“, sagte ich. „Wir könnten dich zwingen, das zu dir zu nehmen. Was dann geschähe, wäre ja auch ein Geständnis. Ich ziehe allerdings eines von der üblichen Art vor, wie es ein Mörder vor seinem Richter ablegt, um sein Gewissen zu erleichtern. Willst du jetzt reden?“
„Banditen!“ höhnte der Koch. „Verbrecher!“
Fulk zog ihm die Gerte so heftig über den Mund, daß seine Lippe platzte und Blut hervorquoll.
„Begreifst du noch immer nicht, du Hund, daß du vor einem hohen Gerichtsherrn stehst?“
„Das will ein hoher Gerichtsherr sein?“ schrie sein Kumpan, eine klapperdürre, fast zahnlose Elendsgestalt. „Der ist nicht mal ein Mönch, auch wenn er 'ne Kutte trägt. Unser Freund, den ihr umgebracht habt … das war ein echter Mönch!“
„Also ein Mönch war das“, sagte ich. „Vermutlich einer, der seinem Kloster entlaufen ist oder davongejagt wurde. Und wer bist du? Wem bist du entlaufen? Deinem Herrn?“
„Das geht dich nichts an! Sag mir lieber, wer du bist! Hast wohl allerhand angestellt …“
Auch er bekam einen Hieb auf das Maul, kreischte auf und schwieg.
„Halunken … Mörder … Diebe!“ ließ sich wieder der Koch vernehmen.
„Soll ich dem Satansfurz noch ein Löffelchen geben?“ fragte Fulk. „Diesmal schluckt er es, dafür sorge ich!“
„Warum gestehst du nicht?“ rief Heiko. „Dann wirst du nur aufgehängt, aber so …“
„Bald hängt ihr selber, ihr Schufte! Räuberbande!“
„Versuchen wir es ein letztes Mal“, sagte ich. „Du warst voller Wut und Haß auf die beiden. Auf die Romilda, weil sie dich nicht begleiten wollte. Auf Herrn Odo, weil er verhinderte, daß du mit
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