Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
ihn dafür. Welche Ehre! Er ist ein entfernter Verwandter von mir. Ein Wunder, daß er sich meiner erinnert. Nehmt Platz, macht es Euch bequem, Vater!“
    Der Herr Erzkaplan hatte sich keineswegs an sie erinnert, sondern nur allen Äbten und Äbtissinnen Grüße aufgetragen. So erfuhr ich aber gleich, daß sie aus einer sehr vornehmen Sippe stammte. Dies hätte ich allerdings auch daraus schließen können, daß die Mutter Äbtissin nicht viel von monastischer Askese zu halten schien.
    Ich befand mich in einem üppig ausgestatteten Zimmer mit bunten Teppichen, hübschen Möbeln, bronzenen Kandelabern, gläsernen Vasen und allerlei kostbarem Zierat. Es gab allerdings auch Bilder von Heiligen und eine geschnitzte Maria mit Jesuskind. Ein halbhoher Vorhang unter einem Türbogen, der nicht ganz geschlossen war, ließ ein Bett sehen, von dem sich die ehrwürdige Mutter wohl gerade erhoben hatte. Sie mußte ihr Ordenskleid etwas hastig übergeworfen haben, denn es schlug unregelmäßige Falten, und eine Sandale, die ihr vermutlich in der Eile wieder vom Fuß gerutscht war, lag mitten im Raum. Mir schien auch, daß das rosige, runde Gesichtchen der Äbtissin noch Spuren von Schminke aufwies, die rasch entfernt worden war. Unser unverhoffter Besuch hatte jedenfalls einige Aufregung ausgelöst.
    Die Mutter Marcovefa verjagte einen Kater, der es sich gemütlich gemacht hatte, und hieß mich an seiner Stelle auf einem zierlichen Armstuhl mit geschweiften Füßen Platz nehmen. Vorsichtig ließ ich mich nieder. Sie selber plumpste in einen bequemen Sessel, nachdem sie noch im Vorübergehen mit dem Fuß die Sandale erwischt hatte.
    „Ihr müßt durstig sein, Vater“, sagte sie, „denn Ihr habt eine beschwerliche Reise hinter Euch. Ein stärkender Trunk wird Euch angenehm sein. Oder nehmt Ihr etwa nur Wasser zu Euch?“
    Eine gewisse Unruhe war in ihren blaßblauen Äuglein zu lesen, als sie mir diese Frage stellte.
    Ich erwiderte, daß ich einen Becher Wein nicht zurückweisen würde.
    „Paulella!“ rief sie sogleich erfreut. „Bringe uns Wein! Den guten, den besten! Du weißt schon, den vom Cortonberg, den mir der Abt von Saulieu geschickt hat!“
    „Aber ehrwürdige Mutter“, stammelte das Nönnlein, „den haben wir doch … den hast du doch gerade heute getrunken. Es ist unser letzter Krug …“ Sie zeigte verstohlen auf ein Gefäß gleich neben der Tür mit dem Vorhang.
    „Ach, daß ich das vergessen konnte!“ Die Mutter Marcovefa legte seufzend die Hand auf ihr Bäuchlein. „Der Bruder Medicus unseres Nachbarklosters empfahl mir dringend Burgunderwein gegen Beschwerden des Leibes. Mir ist heute schon den ganzen Tag etwas unwohl. Nur rasch, Paulella, schenk uns ein!“
    Die kleine Nonne, sichtlich weniger trinkfest als die ehrwürdige Mutter, hob den Krug auf und wäre beinahe mit ihm hingestürzt. Ich konnte es gerade noch verhindern, indem ich aufsprang und sie stützte. Sie dankte mir mit einem zarten Rülpser.
    „Scher dich hinaus, Paulella!“ sagte die Mutter Marcovefa streng. „Du hast heimlich davon gekostet, während ich nebenan etwas ruhte. Vergiß nicht, dem Pater die Sünde zu beichten!“
    Paulella verschwand. Ich übernahm das Amt des Mundschenken. Der Wein war tiefrot, von schwerer Süße, und schon nach wenigen Schlucken verursachte er ein Gefühl des vollkommenen Wohlbehagens. Die Äbtissin trank ihren Becher in einem Zuge halbleer, schloß die Augen und seufzte abermals, diesmal befriedigt.
    „Geht es Euch besser, ehrwürdige Mutter?“
    „Viel besser! Nun aber zu Euerm Anliegen, Vater! Wie kommt unser kleines, bescheidenes Kloster zur Ehre Eures Besuchs?“
    Ich erläuterte meinen Auftrag, zog die königliche Vollmacht hervor, stellte ein paar allgemeine Fragen und kam schnell auf das, was mich wirklich bewegte.
    „Wie Ihr wißt, ehrwürdige Mutter, ist der edle Pappolus, Bischof der Nachbardiözese, das Opfer einer Bluttat geworden …“
    „Ach, Vater, das ist ja die Ursache für mein Unwohlsein!“ unterbrach sie mich lebhaft. „Gestern erhielt ich die Nachricht. Wie schrecklich! Ich wollte es zuerst gar nicht glauben …“
    „Erlaubt!“ rief ich meinerseits dazwischen. „Sagt Ihr, daß Ihr die Nachricht gestern erhieltet? Erst gestern?“
    „So ist es. Zwei Geistliche, die bei uns rasteten, auf dem Wege nach Tours … die berichteten es.“
    „Der Mord ist vor mehr als drei Wochen geschehen!“
    „Ja, so sagten sie … am Jakobus-Tag. Ach, man kümmert sich nicht um uns,

Weitere Kostenlose Bücher