Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
ob er dem Tod entfliehn würd oder erliegen.
Und in der Hütte genoß mit Odysseus der treffliche Sauhirt
Jetzo die Abendkost, auch aßen die übrigen Hirten.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,
Da versuchte der Held Odysseus, ob ihn der Sauhirt
Noch in der Hütte dort herbergen und freundlich bewirten
Oder ihn treiben würd, in die Stadt zu eilen; so sprach er:
Höre mich jetzt, Eumaios, und hört, ihr übrigen Hirten.
Morgen hätt ich wohl Lust, in die Stadt als Bettler zu gehen,
Daß ich deine Freunde und dich nicht länger beschwere.
Sage mir denn Bescheid und gib mir einen Gefährten,
Welcher den Weg mich führe. Die Stadt muß ich selber durchirren,
Ob man ein Becherchen Weins und ein wenig Brosam mir biete.
Gerne möcht ich auch wohl zum Hause des edlen Odysseus
Gehen und Botschaft bringen der klugen Penelopeia
Und alsdann in die Schar der stolzen Freier mich mischen,
Ob sie mich einmal speisen von ihrem reichlichen Gastmahl.
Alles, was sie befehlen, bin ich bereit zu verrichten.
Denn ich verkündige dir, merk auf und höre die Worte:
Durch Hermeias’ Gnade, des Göttergesandten, der alles,
Was die Menschen beginnen, mit Ehre schmücket und Anmut,
Kann der Sterblichen keiner mit mir wetteifern im Dienste:
Feuer geschickt zu legen und trockene Klötze zu spalten,
Wein zu schenken und Fleisch zu verteilen oder zu braten,
Was vornehme Leute vom Dienste Geringerer fordern.
Zürnend erwidertest du, Eumaios, Hüter der Schweine:
Wehe mir, Fremdling, wie kann in dein Herz ein solcher Gedanke
Kommen? Wahrlich du eilst, dich dort ins Verderben zu stürzen,
Ist es dein ernstlicher Wille, zu gehn in der Freier Gesellschaft,
Deren Trotz und Gewalt den eisernen Himmel erreichet.
Wahrlich, solche Leute sind ihre Diener mitnichten;
Jünglinge sind’s, mit Mantel und Leibrock zierlich gekleidet,
Und stets duftet von Salben ihr Haar und blühendes Antlitz:
Diese dienen dort; und die schöngeglätteten Tische
Sind mit Brot und Fleisch und Weine stets belastet.
Aber bleibe; du bist hier keinem Menschen beschwerlich,
Weder mir noch einem der Freunde, welche mir helfen.
Kehrt einst wieder zurück der geliebte Sohn von Odysseus,
Gerne wird dich dieser mit Rock und Mantel bekleiden
Und dich senden, wohin es deinem Herzen gelüstet.
Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios,
Weil du nach schrecklicher Not mir Irrendem Ruhe gewährest!
Nichts ist kummervoller, als unstet leben und flüchtig!
Oft zur Verzweifelung bringt der unversöhnliche Hunger
Leute, die Lebensgefahr und bitterer Mangel umhertreibt.
Aber weil du begehrst, daß ich bleib und jenen erwarte,
Nun, so erzähle mir von der Mutter des edlen Odysseus
Und dem Vater, den er an der Schwelle des Alters daheim ließ.
Leben sie etwa noch im Strahle der leuchtenden Sonne,
Oder sind sie schon tot und in der Schatten Behausung?
Ihm antwortete drauf der männerbeherrschende Sauhirt:
Dieses will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit erzählen.
Immer noch lebt Laertes, doch täglich flehet er Zeus an,
Daß in seinem Hause sein Geist den Gliedern entschwinde.
Denn untröstlich beweint er des fernen Sohnes Gedächtnis
Und den Tod des edlen geliebten Weibes der Jugend,
Der ihn so innig gekränkt und sein herbes Alter beschleunigt.
Diese starb vor Gram um ihren berühmten Odysseus,
Ach, den traurigsten Tod! So sterbe keiner der Freunde,
Welcher in diesem Lande mir Liebes und Gutes getan hat.
Als noch jene lebte, wiewohl in steter Betrübnis,
Hatt ich noch etwas Lust, zu fragen und mich zu erkunden.
Denn sie erzog mich selbst mit Ktimene, ihrer geschmückten
Tugendreichen Tochter, der jüngsten ihres Geschlechtes;
Diese erzog sie mit mir und ehrte mich wenig geringer.
Und da wir beide das Ziel der lieblichen Jugend erreichten,
Gaben sie jene nach Same und nahmen große Geschenke,
Und mich kleidete sie, die Mutter, mit prächtigen Kleidern,
Einem Mantel und Rock, und gab mir Schuh an die Füße,
Sandte mich her aufs Land und tat mir Gutes auf Gutes.
Dieses muß ich nun alles entbehren: aber die Götter
Segnen mit reichem Gedeihn die Arbeit, welche mir obliegt;
Hievon eß ich und trinke und geb auch ehrlichen Leuten.
Von der Königin selbst ist keine Freude zu hoffen,
Weder Wort noch Tat, seitdem die Plage das Haus traf,
Jener verwüstende Schwarm! Und Knechte wünschen doch herzlich,
Vor der Frau des Hauses zu reden und
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