Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
alles zu hören,
Und zu essen und trinken und dann auch etwas zu Felde
Mitzunehmen, wodurch das Herz der Bedienten erfreut wird.
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Ei, so bist du als Kind, Eumaios, Hüter der Schweine,
Fern von dem Vaterland und deinen Eltern verirret?
Aber verkündige mir und sage die lautere Wahrheit:
Ward die prächtige Stadt von Kriegesscharen verwüstet,
Welche dein Vater einst und die treffliche Mutter bewohnten?
Oder fanden dich einsam bei Schafen oder bei Rindern
Räuber und schleppten dich fort zu den Schiffen und boten im Hause
Dieses Mannes dich feil, der dich nach Würden bezahlte?
Ihm antwortete drauf der männerbeherrschende Sauhirt:
Fremdling, weil du mich fragst und so genau dich erkundest,
Nun, so sitze still, erfreue dich horchend und trinke
Wein. Die Nächte sind lang; man kann ausruhen und kann auch
Angenehme Gespräch’ anhören. Es zwinget dich niemand,
Frühe schlafen zu gehn; auch vieles Schlafen ist schädlich.
Sehnt sich der übrigen einer in seinem Herzen zur Ruhe,
Dieser gehe zu Bett; und sobald der Morgen sich rötet,
Frühstück’ er und treibe des Königes Schweine zu Felde.
Aber wir wollen hier in der Hütte noch essen und trinken,
Um einander das Herz durch Erinnerung trauriger Leiden
Aufzuheitern; denn auch der Trübsal denket man gerne,
Wenn man so vieles erduldet, so viele Länder durchirrt ist.
Jetzo will ich dir das verkündigen, was du mich fragtest:
Eine der Inseln im Meer heißt Syria, wenn du sie kennest,
Über Ortygia hin, wo die Sonnenwende zu sehn ist.
Groß ist diese nicht sehr von Umfang, aber doch fruchtbar,
Reich an Schafen und Rindern, an Wein und schönem Getreide.
Nimmer besucht der Hunger und nimmer eine der andern
Schrecklichen Seuchen das Volk, die die armen Sterblichen hinrafft,
Sondern wann in der Stadt die Menschen das Alter erreichen,
Kommt die Freundin der Pfeil’ und der Gott des silbernen Bogens,
Welche sie unversehens mit sanften Geschossen erlegen.
Allda sind zwo Städte, die zwiefach alles geteilet,
Und von diesen beiden war einst mein Vater Beherrscher,
Ktesios, Ormenos’ Sohn, ein Bild der unsterblichen Götter.
Einst besuchten uns dort Phöniker, berühmt in der Seefahrt
Und Erzschinder, und führten im Schiff unzähliges Spielzeug.
Aber im Hause des Vaters war eine phönikische Sklavin,
Schöngebildet und groß und klug in künstlicher Arbeit.
Diese verführten mit List die ränkegeübten Phöniker.
Einer von ihnen pflog, da sie wusch, beim schwärzlichen Schiffe
Heimlicher Liebe mit ihr, die das Herz der biegsamen Weiber
Ganz in die Irre führt, wenn eine die Tugend auch ehret.
Dieser fragte darauf, wer sie wär und von wannen sie käme,
Und sie zeigte sogleich zu des Vaters hohem Palaste:
Meine Geburtsstadt ist die erzdurchschimmerte Sidon,
Und ich rühme mich dort des reichen Arybas Tochter.
Aber mich raubeten einst, da ich vom Felde zurückkam,
Taphische Räuber und brachten mich hier und boten im Hause
Dieses Mannes mich feil, der mich nach Würden bezahlte.
Ihr antwortete drauf der Mann, der sie heimlich beschlafen:
Möchtest du jetzo denn nicht mit uns nach Hause zurückgehn,
Deiner Eltern hohen Palast und Vater und Mutter
Wiederzusehn? Denn sie leben noch beid und man nennt sie begütert.
Und das phönikische Weib antwortete jenem und sagte:
Ja, auch dieses geschehe, wofern ihr Schiffer mir eidlich
Angelobt, mich sicher und wohl nach Hause zu bringen.
Also sprach sie; und alle beschwuren, was sie verlangte.
Als sie es jetzo gelobt und vollendet den heiligen Eidschwur,
Hub die Phönikerin an und sprach zu der Männer Versammlung:
Seid nun still, und keiner von eures Schiffes Genossen
Rede mit Worten mich an, er begegne mir auf der Straße
Oder beim Wasserschöpfen, daß niemand, zu unserem Hause
Gehend, dem Alten es sag und dieser vielleicht mir aus Argwohn
Schwere Band’ anlege und euch das Verderben bereite!
Sondern haltet die Sache geheim und beschleunigt den Einkauf.
Aber sobald ihr das Schiff mit Lebensgütern beladen,
Dann geh einer geschwind in die Burg und bringe mir Botschaft;
Nehmen will ich, was mir an goldnem Geschirr in die Hand fällt,
Und ich möcht euch gerne die Fahrt noch höher bezahlen.
Denn ich erziehe den Sohn des alten Herrn im Palaste,
Welcher schon witzig ist und aus dem Hause so mitläuft.
Diesen brächt ich gerne zum Schiff; ihr würdet nicht wenig
Für ihn lösen, wohin ihr ihn auch in die Fremde
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