Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Gemahlin,
Uns den Bogen zu bringen und blinkende Eisen, zum Wettkampf
Uns unglücklichen Freiern und zum Beginne des Mordens.
Aber es konnte von uns nicht einer des mächtigen Bogens
Senne spannen; zu sehr gebrach es allen an Stärke.
Doch wie der Sauhirt jetzo den großen Bogen Odysseus
Brachte, da zürnten wir alle und schalten mit drohenden Worten,
Daß er den Bogen ihm nicht darreichte, was er auch sagte;
Aber Telemachos rief und befahl ihm, weiterzugehen.
Und nun nahm er den Bogen, der herrliche Dulder Odysseus,
Spannt’ ihn ohne Bemühn und schnellte den Pfeil durch die Äxte;
Sprang auf die Schwelle, die Pfeile dem Köcher entschüttend, und blickte
Drohend umher und schoß; und Antinoos stürzte zu Boden.
Und nun flog auf die andern des scharf hinzielenden Königs
Schreckliches Todesgeschoß, und Haufen sanken bei Haufen.
Und man erkannte leicht, daß ihnen ein Himmlischer beistand.
Denn bald stürzten sie wütend sich unter den Haufen und würgten
Links und rechts durch den Saal: mit dem Krachen zerschlagener Schädel
Tönte das Jammergeschrei, und Blut floß über den Boden.
Also kamen wir um, Agamemnon, und unsere Leiber
Liegen noch unbestattet im Hause des edlen Odysseus.
Denn noch wissen es nicht die Freund’ in unseren Häusern,
Daß sie das schwarze Blut aus den Wunden waschen und klagend
Unsere Bahr umringen, die letzte Ehre der Toten!
Ihm antwortete drauf die Seele des großen Atreiden:
Glücklicher Sohn Laertes’, erfindungsreicher Odysseus,
Wahrlich, dir ward ein Weib von großer Tugend beschieden!
Welche treffliche Seele hat doch Ikarios’ Tochter
Penelopeia! Wie treu die Edle dem Manne der Jugend,
Ihrem Odysseus, blieb! O nimmer verschwindet der Nachruhm
Ihrer Tugend; die Götter verewigen unter den Menschen
Durch den schönsten Gesang die keusche Penelopeia!
Nicht wie Tyndareos’ Tochter verübte sie schändliche Taten,
Welche den Mann der Jugend erschlug und ein ewiges Schandlied
Unter den Sterblichen ist; denn sie hat auf immer der Weiber
Namen entehrt, wenn eine sich auch des Guten befleißigt!
Also besprachen sich jetzo die Luftgebilde der Toten,
Unter der Erde stehend, in Aides’ dunkler Behausung.
Jene gingen den Weg von der Stadt hinunter und kamen
Bald zu dem wohlbestellten und schönen Hofe Laertes’,
Welchen er selber vordem durch Heldentaten erworben.
Allda hatt er sein Haus, und wirtschaftliche Gebäude
Liefen rings um den Hof: es speiseten, saßen und schliefen
Hier die nötigen Knechte, die seine Geschäfte bestellten.
Auch war dort eine alte Sikelerin, welche des Greises
Fern von der Stadt auf dem Lande mit treuer Sorge sich annahm.
Aber Odysseus sprach zu Telemachos und zu den Hirten:
Geht ihr jetzo hinein in die schöngebauete Wohnung
Und bereitet uns schnell zum Mahle das treffliche Mastschwein.
Ich will indes hingehen, um unsern Vater zu prüfen:
Ob er mich wohl noch kennt, wenn seine Augen mich sehen,
Oder ob ich ihm fremd bin nach meiner langen Entfernung.
Also sprach er und gab den Hirten die kriegrische Rüstung.
Diese gingen sogleich in die Wohnnug. Aber Odysseus
Eilte zu seinem Vater im obstbeladenen Fruchthain.
Und er fand, da er eilig den langen Garten hinabging,
Weder Dolios dort noch Dolios’ Knechte und Söhne.
Diese waren aufs Feld gegangen und sammelten Dornen
Zu des Gartens Geheg, und der alte Mann war ihr Führer.
Nur Laertes fand er im schöngeordneten Fruchthain
Um ein Bäumchen die Erd auflockern. Ein schmutziger Leibrock
Deckt’ ihn, geflickt und grob, und seine Schenkel umhüllten
Gegen die ritzenden Dornen geflickte Stiefel von Stierhaut
Und Handschuhe die Hände der Disteln wegen, den Scheitel
Eine Kappe von Ziegenfell. So traurte sein Vater.
Als er ihn jetzo erblickte, der herrliche Dulder Odysseus,
Wie er vom Alter entkräftet und tief in der Seele betrübt war,
Sah er ihm weinend zu im Schatten des ragenden Birnbaums.
Dann bedacht er sich hin und her, mit wankendem Vorsatz,
Ob er ihn küssend umarmte, den lieben Vater, und alles
Sagte, wie er nun endlich zur Heimat wiedergekehrt sei,
Oder ihn erst ausfragte, um seine Seele zu prüfen.
Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beste:
Erst mit sanftem Tadel des Vaters Seele zu prüfen.
Dieses beschloß Odysseus und eilte hin zu Laertes,
Der mit gesenktem Haupte des Baumes Wurzel umhackte;
Und der treffliche Sohn trat nahe zum Vater und sagte:
Alter, es fehlet dir nicht an Kunst, den Garten zu bauen!
Schön ist
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