Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Sänger
Billig mit Achtung auf und Ehrfurcht; selber die Muse
Lehrt sie den hohen Gesang und waltet über die Sänger.
Also sprach Odysseus. Der Herold reicht’ es dem edlen
Helden Demodokos hin; er nahm’s und freute sich herzlich.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Jetzo war die Begierde des Tranks und der Speise gestillet,
Und zu Demodokos sprach der erfindungsreiche Odysseus:
Wahrlich, vor allen Menschen, Demodokos, achtet mein Herz dich!
Dich hat die Muse gelehrt, Zeus’ Tochter oder Apollon!
So zum Erstaunen genau besingst du das Schicksal der Griechen,
Alles was sie getan und erduldet im mühsamen Kriegszug,
Gleich als hättest du selbst es gesehen oder gehöret.
Fahre nun fort und singe des hölzernen Rosses Erfindung,
Welches Epeios baute mit Hilfe der Pallas Athene
Und zum Betrug in die Burg einführte der edle Odysseus,
Mit bewaffneten Männern gefüllt, die Troja bezwangen.
Wenn du mir dieses auch mit solcher Ordnung erzählest,
Siehe, dann will ich sofort es allen Menschen verkünden,
Daß ein waltender Gott den hohen Gesang dir verliehn hat.
Sprach’s, und eilend begann der gottbegeisterte Sänger,
Wie das Heer der Achaier in schöngebordeten Schiffen
Von dem Gestade fuhr, nach angezündetem Lager.
Aber die andern, geführt vom hochberühmten Odysseus,
Saßen, von Troern umringt, im Bauche des hölzernen Rosses,
Welches die Troer selbst in die Burg von Ilion zogen.
Allda stand nun das Roß, und ringsum saßen die Feinde,
Hin und her ratschlagend. Sie waren dreifacher Meinung:
Diese, das hohle Gebäude mit grausamem Erze zu spalten;
Jene, es hoch auf den Felsen zu ziehn und herunter zu schmettern;
Andre, es einzuweihn zum Sühnungsopfer der Götter.
Und der letzteren Rat war bestimmt, erfüllet zu werden.
Denn das Schicksal beschloß Verderben, wann Troja das große
Hölzerne Roß aufnähme, worin die tapfersten Griechen
Alle saßen und Tod und Verderben gen Ilion brachten.
Und er sang, wie die Stadt von Achaias Söhnen verheert ward,
Welche dem hohlen Bauche des trüglichen Rosses entstürzten;
Sang, wie sie hier und dort die stolze Feste bestürmten,
Und wie Odysseus schnell zu des edlen Deiphobos Wohnung
Eilte, dem Kriegsgott gleich, samt Atreus’ Sohn Menelaos,
Und wie er dort voll Mutes dem schrecklichsten Kampfe sich darbot,
Aber zuletzt obsiegte, durch Hilfe der hohen Athene.
Dieses sang der berühmte Demodokos. Aber Odysseus
Schmolz in Wehmut, Tränen benetzten ihm Wimpern und Wangen.
Also weinet ein Weib und stürzt auf den lieben Gemahl hin,
Der vor seiner Stadt und vor seinem Volke dahinsank,
Streitend, den grausamen Tag von der Stadt und den Kindern zu fernen;
Jene sieht ihn jetzt mit dem Tode ringend und zuckend,
Schlingt sich um ihn und heult laut auf; die Feinde von hinten
Schlagen wild mit der Lanze den Rücken ihr und die Schultern,
Binden und schleppen als Sklavin sie fort zu Jammer und Arbeit,
Und im erbärmlichsten Elend verblühn ihr die reizenden Wangen:
So zum Erbarmen entstürzt’ Odysseus’ Augen die Träne.
Allen übrigen Gästen verbarg er die stürzende Träne;
Nur Alkinoos sah aufmerksam die Trauer des Fremdlings,
Welcher neben ihm saß, und hörte die tiefen Seufzer.
Und der König begann zu den ruderliebenden Männern:
Merket auf, der Phaiaken erhabene Fürsten und Pfleger,
Und Demodokos halte nun ein mit der klingenden Harfe;
Denn nicht alle horchen mit Wohlgefallen dem Liede.
Seit wir sitzen am Mahl und der göttliche Sänger uns vorsingt,
Hat er nimmer geruht von seinem trauernden Grame,
Unser Gast; ihm drückt wohl ein schwerer Kummer die Seele.
Jener halte denn ein! Wir wollen alle vergnügt sein,
Gast und Wirte zugleich; denn solches fordert der Wohlstand.
Für den edlen Fremdling ist diese Feier, des Schiffes
Rüstung und die Geschenke, die wir aus Freundschaft ihm geben.
Lieb wie ein Bruder ist ein hilfeflehender Fremdling
Jedem Manne, des Herz auch nur ein wenig empfindet!
Drum verhehle mir nicht durch schlauersonnene Worte,
Was ich jetzo dich frage. Auch dieses fordert der Wohlstand.
Sage, mit welchem Namen benennen dich Vater und Mutter,
Und die Bürger der Stadt, und welche rings dich umwohnen?
Denn ganz namenlos bleibt doch unter den Sterblichen niemand,
Vornehm oder gering, wer einmal von Menschen gezeugt ward,
Sondern man nennet jeden, sobald ihn die Mutter geboren.
Sage mir auch dein Land, dein Volk und deine Geburtsstadt,
Daß, dorthin die Gedanken
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