Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
verstattet Kronion
Zeus, daß wir durch die Flucht doch diesem Verderben entrinnen.
Aber dir, o Pilot, befehl ich dieses (verschleuß es
Tief im Herzen, denn du besorgst das Steuer des Schiffes!):
Lenke das Schiff mit aller Gewalt aus dem Dampf und der Brandung
Und arbeite gerad auf den Fels zu, daß es nicht dorthin
Unversehens sich wend und du ins Verderben uns stürzest!
Also sprach ich, und schnell gehorchten sie meinem Befehle.
Aber von Skylla schwieg ich, dem unvermeidlichen Unglück,
Daß nicht meine Gefährten, aus Furcht des Todes, die Ruder
Sinken ließen und all im Schiffe zusammen sich drängten.
Jetzo dacht ich nicht mehr des schreckenvollen Gebotes,
Welches mir Kirke geboten, mich nicht zum Kampfe zu rüsten,
Sondern ich gürtete mich mit stattlichen Waffen und faßte
Zween weitschattende Speer’ in der Hand und stieg auf des Schiffes
Vorderverdeck; denn ich hoffte, die Felsenbewohnerin Skylla
Dorther kommen zu sehn, um mir die Freunde zu rauben.
Aber ich schaute sie nirgends, obgleich die Augen mir schmerzten,
Da ich nach jeder Kluft des braunen Felsen emporsah.
Seufzend ruderten wir hinein in die schreckliche Enge:
Denn hier drohete Skylla und dort die wilde Charybdis,
Welche die salzige Flut des Meeres fürchterlich einschlang.
Wenn sie die Flut ausbrach, wie ein Kessel auf flammendem Feuer
Brauste mit Ungestüm ihr siedender Strudel, und hochauf
Spritzte der Schaum und bedeckte die beiden Gipfel der Felsen.
Wenn sie die salzige Flut des Meeres wieder hineinschlang,
Senkte sich mitten der Schlund des reißenden Strudels, und ringsum
Donnerte furchtbar der Fels und unten blickten des Grundes
Schwarze Kiesel hervor. Und bleiches Entsetzen ergriff uns.
Während wir nun in der Angst des Todes alle dahinsahn,
Neigte sich Skylla herab und nahm aus dem Raume des Schiffes
Mir sechs Männer, die stärksten an Mut und nervichten Armen.
Als ich jetzt auf das eilende Schiff und die Freunde zurücksah,
Da erblickt ich schon oben die Händ’ und Füße der Lieben,
Die hoch über mir schwebten; sie schrien und jammerten alle
Laut und riefen mir, ach! zum letzten Male! beim Namen.
Wie am Vorgebirge mit langer Rute der Fischer
Lauernd den kleinen Fischen die ködertragende Angel
An dem Horne des Stiers hinab in die Fluten des Meeres
Wirft und die zappelnde Beute geschwind ans Ufer hinaufschwenkt:
Also wurden sie zappelnd empor an dem Felsen gehoben.
Dort an der Höhle fraß sie das Ungeheuer, und schreiend
Streckten jene nach mir, in der grausamsten Marter, die Händ’ aus.
Nichts Erbärmlichers hab ich mit meinen Augen gesehen,
So viel Jammer mich auch im stürmenden Meere verfolgte!
Als wir jetzo die Felsen der Skylla und wilden Charybdis
Flohn, da erreichten wir bald des Gottes herrliche Insel,
Wo die Herden des hochhinwandelnden Helios weiden,
Viele treffliche Schaf und viel breitstirniges Hornvieh.
Als ich noch auf dem Meer im schwarzen Schiffe heranfuhr,
Hört ich schon das Gebrüll der eingeschlossenen Rinder
Und der Schafe Geblök. Da erwacht’ in meinen Gedanken
Jenes thebaiischen Sehers, des blinden Teiresias, Warnung
Und der aiaiischen Kirke, die mir aufs strengste befohlen,
Ja die Insel zu meiden der menschenerfreuenden Sonne.
Und mit trauriger Seele begann ich zu meinen Gefährten:
Höret meine Worte, ihr teuren Genossen im Unglück,
Daß ich euch sage, was mir Teiresias’ Seele geweissagt
Und die aiaiische Kirke, die mir aufs strengste befohlen,
Ja die Insel zu meiden der menschenerfreuenden Sonne;
Denn dort würden wir uns den schrecklichsten Jammer bereiten.
Auf denn, Geliebteste, lenkt das Schiff bei der Insel vorüber!
Also sprach ich; und jenen brach das Herz vor Betrübnis.
Aber Eurylochos gab mir diese zürnende Antwort:
Grausamer Mann, du strotzest von Kraft und nimmer ermüden
Deine Glieder, sie sind aus hartem Stahle gebildet!
Daß du den müden Freunden, von Arbeit und Schlummer entkräftet,
Nicht ans Land zu steigen erlaubst, damit wir uns wieder
Auf der umflossenen Insel mit lieblichen Speisen erquicken,
Sondern befiehlst, daß wir die Insel meiden und blindlings
Durch die dickeste Nacht im düstern Meere verirren!
Und die Stürme der Nacht sind fürchterlich; Schiffe zertrümmert
Ihre Gewalt! Wo entflöhn wir dem schrecklichen Todesverhängnis,
Wenn nun mit einmal im wilden Orkan der gewaltige Südwind
Oder der sausende West herwirbelte, welche die Schiffe
Oft auch gegen den Willen der herrschenden Götter
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