Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
zerschmettern?
Laßt uns denn jetzo der Nacht aufsteigenden Schatten gehorchen
Und am Ufer ein Mahl bei dem schnellen Schiffe bereiten.
Morgen steigen wir ein und steuern ins offene Weltmeer.
Also sprach er; und laut rief jeder Eurylochos Beifall.
Und ich erkannte jetzt, daß ein Himmlischer Böses verhängte.
Drauf antwortet ich ihm und sprach die geflügelten Worte:
Freilich, Eurylochos, zwingt ihr mich einzelnen leicht zum Gehorsam.
Aber wohlan! jetzt schwöret mir alle den heiligen Eidschwur:
Wenn wir irgendwo Herden von Rindern oder von Schafen
Finden, daß keiner mir dann, durch schreckliche Bosheit verblendet,
Weder ein Rind noch ein Schaf abschlachte, sondern geruhig
Esse der Speise, die uns die unsterbliche Kirke gereicht hat!
Also sprach ich, und schnell beschwuren sie, was ich verlangte.
Als sie es jetzo gelobt und vollendet den heiligen Eidschwur,
Landeten wir in der Bucht mit dem starkgezimmerten Schiffe,
Nahe bei süßem Wasser; und meine Gefährten entstiegen
Alle dem Schiff und bereiteten schnell am Ufer die Mahlzeit.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,
Da beweineten sie der lieben Freunde Gedächtnis,
Welche Skylla geraubt und vor der Höhle verschlungen;
Auf die Weinenden sank allmählich der süße Schlummer.
Schon war die dritte Wache der Nacht, und es sanken die Sterne,
Siehe, da sendete Zeus, der Wolkenversammler, der Windsbraut
Fürchterlich zuckenden Sturm, verhüllt’ in dicke Gewölke
Meer und Erde zugleich; und dem düstern Himmel entsank Nacht.
Als nun die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Zogen wir unser Schiff in die felsenbeschattete Grotte,
Welche die schönen Reigen und Sitze der Nymphen verbirget.
Jetzo rief ich die Freunde zur Ratsversammlung und sagte:
Freunde, wir haben ja noch im Schiffe zu essen und trinken;
Darum schonet der Rinder, daß uns kein Böses begegne!
Diese Rinder und Schafe sind jenes furchtbaren Gottes
Helios Eigentum, der alles siehet und höret.
Also sprach ich; und zwang ihr edles Herz zum Gehorsam.
Aber der Süd durchstürmte den ganzen Monat, und niemals
Hub sich ein anderer Wind als der Ost und der herrschende Südwind.
Doch solang es an Speis und rotem Weine nicht fehlte,
Schoneten jene der Rinder, ihr süßes Leben zu retten.
Und da endlich im Schiffe der ganze Vorrat verzehrt war,
Streiften sie alle aus Not, vom nagenden Hunger gefoltert,
Durch die Insel umher, mit krummer Angel sich Fische
Oder Vögel zu fangen, was ihren Händen nur vorkam.
Jetzo ging ich allein durch die Insel, um einsam die Götter
Anzuflehn, ob einer den Weg mir zeigte zur Heimkehr.
Als ich, die Insel durchgehend, mich weit von den Freunden entfernet
Am windfreien Gestade, da wusch ich die Händ’ und flehte
Alle Götter an, die Bewohner des hohen Olympos,
Und sie deckten mir sanft die Augen mit süßem Schlummer.
Aber Eurylochos reizte die andern Freunde zum Bösen:
Höret meine Worte, ihr teuren Genossen im Unglück.
Zwar ist jeglicher Tod den armen Sterblichen furchtbar,
Aber so jammervoll ist keiner, als Hungers sterben.
Auf denn und treibt die besten der Sonnenrinder zum Opfer
Für die Unsterblichen her, die den weiten Himmel bewohnen.
Kommen wir einst zurück in Ithakas heimische Fluren,
Seht, dann weihen wir schnell dem hohen Sonnenbeherrscher
Einen prächtigen Tempel, mit köstlichem Schmucke gezieret.
Aber beschließt der Gott, um gehörnete Rinder entrüstet,
Unser Schiff zu verderben und ihm willfahren die Götter:
Lieber will ich mit einmal den Geist in den Fluten verhauchen,
Als noch lang hinschmachten auf dieser einsamen Insel!
Also sprach er, und laut rief jeder Eurylochos Beifall.
Und sie trieben die besten der Sonnenrinder zum Opfer
Eilend daher; denn nahe dem blaugeschnäbelten Schiffe
Weideten jetzt breitstirnig und schön die heiligen Rinder.
Diese umstanden die Freunde, den Göttern flehend, und streuten
Zarte Blätter, gepflückt von der hochgewipfelten Eiche;
Denn an Gerste gebrach es im schöngebordeten Schiffe.
Also fleheten sie und schlachteten, zogen die Haut ab,
Schnitten die Lenden aus, umwickelten diese mit Fette
Und bedeckten sie drauf mit blutigen Stücken der Glieder.
Auch an Weine gebrach es, das brennende Opfer zu sprengen;
Aber sie weihten mit Wasser die röstenden Eingeweide.
Als sie die Lenden verbrannt und die Eingeweide gekostet,
Schnitten sie auch das übrige klein und steckten’s an Spieße.
Meinen Augen entfloh nunmehr der
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