Odyssey 01 - In die Dunkelheit
schätzte die Maße der Tür ab und machte sich ans Werk. Mit der Stange fuhr er den Umriss der Tür mit all seiner Kraft nach, um sie aufzuritzen, hielt einen Moment inne und wiederholte die Prozedur mehrmals – ohne Erfolg. Schließlich rammte er die Brechstange in den Spalt zwischen innerer und äußerer Fahrstuhltür. Die beiden Soldaten, die sich mit ihnen in den engen Raum gequetscht hatten, postierten sich rechts und links der Doppeltür, während Savoy die Stange mit Einsatz seines ganzen Gewichts als Hebel nutzte und die Tür aufzustemmen begann. Als sie sich schließlich mehrere Handbreit öffnete, perlte ihm Schweiß von der Stirn, der sich in Angstschweiß verwandelte, als jemand, der draußen vor der Fahrstuhltür stand, ihm den Lauf einer ihm unbekannten, aber nicht zu verkennenden Waffe vors Visier hielt. Die mit Titan legierte Brechstange schlug scheppernd auf dem Boden auf, denn unverzüglich streckte Savoy vorsichtig die Hände hoch, um den Fremden zu beschwichtigen.
Die Schimpfwörter, die ihnen gleich darauf in die Ohren drangen, überstiegen die Fähigkeiten des Übersetzungsprogramms. Es konnte nur das Wort öffnen identifizieren. Savoy hatte kaum Zeit, die Situation zu erfassen, denn jetzt glitt die Doppeltür des Fahrstuhls auf, und er sah sich mit einer weiteren Person konfrontiert, die ihm so etwas wie ein Gewehr unter die Nase hielt.
»He, Leute, ich hab hier ein kleines Problem mit zwei Schießwütigen«, sagte er fast stimmlos ins Mikro seines Headsets.
»Kannst du den Waffentypus identifizieren?«
Savoys Kiefer bewegte sich kaum, während er mit kurzen, kehligen Lauten antwortete. »Herrgottnochmal, Hilliard! Das sind fremdartige Waffen. Und vermutlich schießen die nicht mit Erbsen.«
»Also gut, siehst du noch weitere bewaffnete Personen?«, erwiderte Hilliard gelassen.
Savoys Blick huschte zu dem dunklen Raum jenseits der Fahrstuhltür. »Nein, aber in dem Raum da drüben sind jede Menge Leute.«
Lange Pause am anderen Ende. Aus dem Augenwinkel bemerkte Savoy, dass Milla zu ihm vorrücken wollte, und seufzte erleichtert auf. Doch dann packte sie Jaime, die neben ihr stehende Soldatin, an der Schulter und hielt sie gewaltsam zurück. Die fremden Bewaffneten sahen nämlich nicht nach Berufssoldaten aus, sondern eher nach verängstigten Jugendlichen, was sie in dieser Situation tausendmal gefährlicher machte.
»Also gut, Savoy: Manöver Trojaner zwölf. Jenkins und Mallard: Schießt nur, wenn’s gar nicht anders geht. Entwaffnet die Leute, aber macht sie nicht kampfunfähig«, entschied Hilliard unverzüglich und nahm genau wie die anderen seinen Posten ein. Über Funk hörte Savoy die Rückmeldungen mit und bereitete sich angespannt auf seine Rolle bei diesem Manöver vor.
»Äh … Hi!« Savoy zuckte bei dieser albernen Begrüßung selbst zusammen, ließ sich aber nicht beirren. »Wir kommen mit friedlicher Absicht.«
Ein einziger Blick auf die Mienen der beiden sagte ihm, dass das Übersetzungsprogramm versagt hatte. Savoy überlegte, ob er Milla bitten sollte, für ihn zu übersetzen, aber diese Entscheidung wurde ihm abgenommen: Nachdem einer der Bewaffneten irgendetwas Unverständliches gesagt hatte, packte er Savoy grob beim Arm, zerrte ihn aus dem Aufzug und zwang ihn zu Boden. Um die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf sich zu ziehen, tat Savoy so, als wollte er Widerstand leisten. Erneut rangen sie ihn nieder und drückten ihn mit ihrem ganzen Gewicht auf den Boden. Doch schon Sekunden später wurde diese Last von ihm genommen.
Bestürzt über die Gewalttätigkeit der Menschen, die sie so gut zu kennen geglaubt hatte, sah Milla zu, wie die beiden Bewaffneten Savoy grob niederrangen. Plötzlich bemerkte sie eine blitzschnelle Bewegung: Jenkins und Mallard stürzten sich ins Getümmel. Jenkins nahm sich den ganz oben liegenden Bewaffneten so heftig vor, dass er und sein Gegner zwölf Meter durch die Luft und mitten in den Schutzraum hineinsegelten. Mallard beschränkte ihren Sprung auf einen niedrigen Bogen und erwischte den zweiten Bewaffneten am Unterkörper. Nicht weit von Savoy entfernt stürzten beide zu Boden.
Milla wollte gerade selbst in den Schutzraum eilen, da wurde sie grob zur Seite gestoßen: Hilliard ließ sich vom Dach des Fahrstuhls hinunter, wobei der Anzug die kinetische Energie des Sprungs so aufnahm, dass sein Träger in einem weiten Bogen durch die Luft flog und fünfzehn Meter weiter im Schutzraum landete. Unverzüglich schwenkte
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