Ödland - Thriller
Beziehung einzulassen. Vincents Tod lastet noch immer auf ihrem Herzen und hat ihre Weiblichkeit mit einem Eispanzer überzogen, der jegliches sexuelle Interesse erstickt. In ihrer Einsamkeit ist sie misstrauisch und ungesellig geworden, eine Haltung, in der sie sich zugegebenermaßen gefällt. Sie entspricht dem Zeitgeist ...
Doch die düstere Phase geht ihrem Ende entgegen, das spürt sie. Im Lauf der endlos scheinenden Zugreise durch das graue Nebelwetter fällt ihr auf, dass sie nach und nach die schwarzen Vögel ihrer Erinnerungen, die Last der Trauer und den Panzer der Einsamkeit hinter sich lässt. Mit jedem Kilometer, den sie sich von der düsteren Stadt voller Tod und Irrsinn entfernt, die sie am liebsten für immer vergessen möchte, wird ihr Herz leichter. Und wenn ich einfach nie wieder zurückkehre? Die Idee gefällt ihr. Ich könnte mich in Burkina niederlassen ... Hör auf zu träumen! Dieses Land ist alles andere als ein Paradies!
Trotz aller Schwierigkeiten hat Lauries Reise unter guten Vorzeichen begonnen. Sie hat Saint-Malo unmittelbar vor einem Sturm den Rücken gekehrt, der, wie sie später in Paris erfuhr, historische Ausmaße hatte. Der TGV kam ausnahmsweise einigermaßen pünktlich am Bahnhof Montparnasse an; wahrscheinlich, um sich vor dem Sturm in Sicherheit zu bringen. In Paris verabredete sie sich mit ihrer Freundin Ludivine, einer ehemaligen Kollegin aus der Hilfsorganisation, die gerade frisch und glücklich in einen netten, ausgesprochen fröhlichen jungen Mann verliebt ist. Schon lange hat Laurie keinen so lustigen und unbeschwerten Abend mehr erlebt. In der Botschaft von Burkina Faso, wo sie ihren Passierschein beglaubigen lassen musste, wurde sie vom Botschafter höchstpersönlich als Heldin und Retterin der Nation empfangen. Die Präsidentin hatte Lauries Kommen angekündigt. Zwar weiß Laurie nicht, was Fatimata Kanaté über sie erzählt hat, aber sie hatte den Eindruck, dass man ihr am liebsten den roten Teppich ausgerollt und sie mit Häppchen und Champagner bewirtet hätte. Abgesehen von den persönlich gestempelten und unterzeichneten Visa hat der Botschafter ihr einen Satz Visitenkarten von einigen »guten Freunden« mitgegeben, die samt und sonders »an wichtigen Stellen« in Industrie, Landwirtschaft und Verwaltung sitzen und ihr angeblich bei sämtlichen Schritten »behilflich« sein können. Warum auch nicht? Schließlich kann die Präsidentin ihr nicht ständig zur Seite stehen, um ihr die notwendigen Türen zu öffnen und sie mit den richtigen Personen zusammenzubringen.
Endlich kommt Laurie in tiefster Nacht und bei sibirischer Kälte in Straßburg an. Die Stadt liegt unter einer Eisschicht, die Bäume und Rabatten mit einer feinen Spitze aus Reif schmückt. Laurie friert erbärmlich in ihrer Strickjacke und ist ebenso überrascht wie die anderen Passagiere, denn in Paris zeigte das Thermometer noch fast 20 Grad. Aber schließlich ist November, der verrückte Monat. In der Bahnhofshalle werden die Reisenden mit Lautsprecherdurchsagen und einer Laufschrift darauf aufmerksam gemacht, dass die Ausgangssperre bereits in Kraft ist und dass man sich bei der Bahnhofspolizei melden solle, wo man einen Passierschein für den Heimweg erhalte; ohne Passierschein mache man sich strafbar.
Mit einem resignierten Seufzer packt Laurie ihre beiden schweren Koffer und reiht sich in die Schlange vor dem Polizeischalter ein. Plötzlich baut sich ein Mann vor ihr auf.
»Sind Sie Laurie Prigent?«, fragt er in schwerfälligem Französisch.
Verwirrt mustert Laurie den Mann von oben bis unten. Unter seinem nagelneuen Lederblouson ist er ganz in Schwarz gekleidet, unter seiner platten Nase sprießt ein gewaltiger Wikingerschnurrbart, sein Haar ist schwarz und glatt, und im rechten Ohrläppchen trägt er einen Ohrring. Er wirkt absolut nicht aggressiv - im Gegenteil: In seinen blauen Augen spiegelt sich eher eine gewisse Unsicherheit. Trotzdem weicht Laurie einen Schritt zurück.
»Ja bitte?«
»Mein Name ist Ruud Klaas. Aber alle Leute nennen mich Rudy.«
Ein wenig zögernd hält er ihr die Hand hin.
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