Ödland - Thriller
trinkt und zu spät daran denkt, dass er nach draußen müsste, um an den Wassertank zu kommen.
Inzwischen dringen goldene Sonnenstrahlen durch die halb freigelegte Windschutzscheibe. Laurie und Rudy erkennen Aluminiumschaufeln im Einsatz. Benutzt werden sie von Menschen, die ganz in Weiß gekleidet sind und einen ebenso weißen Turban tragen. Rudy weiß nicht recht, was er jetzt mit seiner Knarre anfangen soll - ist es besser zu zeigen, dass er bewaffnet ist, oder soll er die Luger lieber verstecken, um nicht aggressiv zu erscheinen?
Endlich wird die Tür geöffnet. Zwei Männer steigen auf das Trittbrett, stecken die Köpfe ins Wageninnere und mustern Laurie und Rudy, die stumm auf der Ruheliege sitzen. Dann wechseln sie einige Worte auf Arabisch. Ein makelloser Cheche verhüllt ihr Gesicht mit Ausnahme der forschenden Augen.
»Äh ... guten Tag«, begrüßt Laurie sie schließlich ein wenig verunsichert.
»Und herzlich willkommen«, fügt Rudy mit linkischem Lächeln hinzu.
»Seid ihr Franzosen?«, fragt einer der beiden Männer.
Laurie nickt. Der Mann entfernt den Schleier über seinem sonnengegerbten, scharf geschnittenen Gesicht und lächelt mit sehr weißen Zähnen. Er beugt sich vor und streckt Rudy die Hand hin.
»Sind Sie Targi?«, fragt Rudy und schüttelt die harte, schwielige Pranke.
» Makachl«, flucht sein Gegenüber und spuckt aus. »Wir sind Chaamba und gute Muslims. Allahu akhbar!«
»Die Tuareg sind seit jeher unsere Feinde«, erklärt der andere Mann.
»Mein Name ist Abderrahmane, und das dort ist Yacine«, stellt der erste Mann sich und seinen Freund vor.
Nun enthüllt auch besagter Freund sein Gesicht und begrüßt Laurie und Rudy, indem er den Kopf neigt und eine Hand auf die Brust legt. Seine ebenfalls kantigen Züge werden durch ein spitz gestutztes Bärtchen gemildert. Rudy erwidert seinen Gruß auf die gleiche Weise.
»Ich bin Rudy, und die junge Dame heißt Laurie.«
Die beiden Chaamba würdigen Laurie kaum eines Blickes, sondern steigen wieder aus und sprechen mit ihren Stammesgenossen, die immer noch dabei sind, den Lkw aus den Sandmassen zu befreien.
»Was, glaubst du, werden sie uns tun?«, fragt Laurie beunruhigt. Kälte, Angst und Müdigkeit lassen sie noch immer zittern.
»Ich weiß es nicht«, antwortet Rudy. »Aber wenn sie uns hätten ausrauben wollen, hätten sie uns leicht töten können.«
Abderrahmane und Yacine tauchen wieder an der Tür auf. Sie strahlen über das ganze Gesicht.
»Unser Lager ist ganz in der Nähe, dort drüben im Erg. Wir möchten euch einladen, mit uns Tee zu trinken.«
Laurie und Rudy wechseln einen Blick. Ist das etwa eine Falle? Oder einfach nur Freundlichkeit?
»Wir müssen das Angebot annehmen«, sagt Laurie auf Englisch zu Rudy. »Abzulehnen wäre sehr unhöflich.«
»Und was ist mit dem Lkw? Den können wir doch nicht einfach so hier stehen lassen«, gibt Rudy in derselben Sprache zurück.
»Ein inouba wird auf den Lastwagen aufpassen«, mischt sich Yacine ein, der ganz offensichtlich alles verstanden hat.
»Bitte?« Laurie beugt sich vor.
»Ein Junge. Einer meiner Söhne. Mokhtar!«
Auf sein Handzeichen hin kommt ein Jugendlicher in einer dunklen Woll-Djellaba zu Tür des Lastwagens. Er trägt eine Baseballkappe mit dem Aufdruck Hilalienforever, hat ein AK-74 lässig über die Schulter geworfen und einen Patronengürtel um die Taille geschlungen. Sein Vater erklärt ihm etwas auf Arabisch. Der junge Mann nickt ernst, setzt sich, lehnt sich an einen noch halb im Sand vergrabenen Reifen des Lasters und nimmt sein Maschinengewehr auf die Knie.
»So, das wäre erledigt«, lächelt Yacine. »Kommt ihr jetzt?«
»Ist er nicht ein wenig jung für so viel Verantwortung?«, wundert sich Laurie.
»Mokhtar ist unser bester chouâf«, beruhigt Abderrahmane sie. »Er erkennt einen Skarabäus auf hundert Meter Entfernung, und auf fünfhundert Meter kann er erkennen, aus welchem Stamm ein Mann kommt und wie alt sein Dromedar ist. Mokhtar wird euren Mercedes gut beschützen.«
Sein Ton lässt keine Widerrede zu, und so folgen Laurie und Rudy der Gruppe, ohne weiter auf das Problem einzugehen. Alle tragen eine weiße Abaya und sind ebenso bewaffnet wie Mokhtar. Die etwa sechs Chaamba gehen zu ihren Dromedaren, die am Nordhang einer Düne auf sie warten. Höflich lassen Abderrahmane und Yacine ihre Tiere niederknien und bitten ihre Gäste, es sich im Sattel bequem zu machen. Weder Laurie noch Rudy fühlen sich auf dem Rücken der
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