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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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klarem Wasser, der Duft von Blüten, Früchten, Gemüse und feuchter Erde, murmelndes Wasser, das in schmalen Kanälen von einer Parzelle zur nächsten plätschert, der herrliche Geschmack einer frisch gepflückten Dattel, Feige oder Tomate. Unterwegs erklärt der kel el mia, wo das Wasser herkommt und wie es verteilt wird. Es stammt aus einem großen, unterirdischen Wasservorkommen; von dort wird es mittels solarbetriebener Pumpen an die Oberfläche gefördert und durch foggaras genannte, unterirdische Leitungen zum Dorf und in die Gärten geleitet. Die foggaras wurden früher von den Haratin-Sklaven gegraben und freigehalten, heute bestehen sie aus Kevlar. Das Wasser wird in einem Verteilerbecken gesammelt, aus dem die Gräben gespeist werden, die die bewirtschafteten Parzellen bewässern. Zu jeder Parzelle gehört ein mit einem Sperrventil versehenes Becken, in dem das Wasser gespeichert und bei Bedarf zur Bewässerung genutzt wird. Der kel el mia ist dafür zuständig, den Wasserverbrauch regelmäßig zu messen und zu berechnen, wie viel Wasser jeder Gärtner für seine Kulturen benötigt, um eine gerechte Verteilung zu gewährleisten. Weitere foggaras leiten Wasser in den Ksar und versorgen jedes Haus. Das Wasser ist ebenso kostenlos wie der Strom, der aus Wind und Sonne gewonnen wird. Lediglich Wartungen und Reparaturen müssen ab und zu bezahlt werden.
    »Aber das ist ja geradezu ideal!«, ruft Rudy beeindruckt aus. »Nur - was ist mit der algerischen Regierung? Müssen Sie nicht Ihre Konten offenlegen? Wird dieser Segen nicht sofort besteuert?«
    »Der Präsident sitzt weit weg im Norden«, entgegnet Yacine süßsauer. »Er hat genügend Sorgen mit den großen Städten und der Umweltverschmutzung und kümmert sich nicht weiter um uns. Und wenn er es versehentlich doch eines Tages täte, wüssten wir, wie wir ihn zu empfangen haben.«
    Mit einem verschmitzten Lächeln betastet er eine Beule unter seiner Abaya, von der Rudy bereits weiß, dass sie eine Mini-Uzi mit Zielbildschirm verbirgt - eine äußerst durchdachte Waffe für die Jagd auf Gazellen, falls die Chaamba sich diesem tödlichen Sport hingeben und es überhaupt noch Gazellen gibt. Der alte Mohamed hält einen langen Monolog auf Arabisch. Yacine hört zu und übersetzt anschließend für Rudy.
    »Er erzählt, dass der Präsident Gourara und Touat zu Beginn dieses Jahrhunderts in ein großes Landwirtschaftsgebiet umwandeln wollte, erstens, um die Chaamba sesshaft zu machen, und zweitens als Nahrungsquelle für den stark durch Umweltverschmutzung beeinträchtigten Norden, aber auch für diejenigen, die herkommen und die Öl- und Gasvorkommen erschließen sollten. Sie haben riesige Stromkraftwerke gebaut und gewaltige Bewässerungsanlagen installiert. Die Reste der Maschinen kann man noch heute in der Nähe von Timimoun sehen. Jedenfalls haben sie den Grundwassersee unter dem Erg völlig ausgebeutet. Das Ende vom Lied war, dass die foggaras versandeten, die Palmenhaine austrockneten und die ohnehin schon nicht sehr zahlreichen Touristen vollständig ausblieben. Die Öl- und Gasfelder erwiesen sich als wenig ergiebig, die Kraftwerke hielten den hohen Temperaturen nicht stand, die Bewässerungsanlagen funktionierten daraufhin nicht mehr, und die Dünen, die sie vorher nicht stabilisiert hatten, wanderten über ihre Felder hinweg. Innerhalb von zehn Jahren hatten die Leute aus dem Norden hier alles zerstört. Wir haben zwanzig Jahre gebraucht, um alles auf unsere Art wiederaufzubauen. Und du siehst ja, dass es klappt. Wir sind hier in der Oase unter uns. Natürlich haben die aus dem Norden ihre Soldaten geschickt, um uns zur Räson zu bringen, aber das hat sie letzten Endes zu viel Geld, Material und Menschenleben gekostet. Hinzu kommt, dass sie mit den Kabylen schon Sorgen genug haben.«
    »Algerien existiert nicht mehr«, fährt Mohamed auf Französisch fort. »Das Land ist ein Kunstprodukt und längst tot. Aber wir Chaamba, wir leben hier. Und im Süden sind die Tuareg, in Laghouat wohnen die Mozabiten und in Ghardaia die Kabylen. Doch dort oben im Norden, jenseits des Atlasgebirges, da herrscht der Tod. Bis dort ist der verdorbene Okzident schon vorgedrungen. Willkommen im Land der freien Männer!«
    Er versetzt Rudy, der nicht alles verstanden hat, aber freundlich lächelt, einen wuchtigen Schlag auf die Schulter. Rudy nimmt die Gelegenheit wahr, ein Thema anzuschneiden, das ihn intensiv beschäftigt.
    »Im Süden herrscht ebenfalls der Tod. In

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