Ödland - Thriller
wirft ihn aus dem Büro und schließt die Tür hinter ihm ab.
»Okay. Jetzt zu uns, Jungs. Hast du Nummer vier unterwegs erreichen können, Nummer zwei?«
»Der Kontakt ist hergestellt und verschlüsselt.«
»Wie steht es mit dem Zugang zu den internen Netzwerken, Nummer drei?«
»Die Verbindung ist ziemlich wacklig, aber ich installiere einen Emulator.«
»Okay. Briefing.«
Der Feind
Das Leben und der Tod sind in uns.
Sie kämpfen gegeneinander
Wie das Wasser gegen die Erde
Und die Erde gegen das Wasser kämpft [...]
Unser Wunsch nach Wissen
Glüht in uns wie ein Feuer.
Der Wind eurer Wissenschaft
Weht und facht es weiter an.
Aus: Kaidara, Initiations-Märchen der Fulbe, transkribiert von Amadou Hampaté Bâ
Félicité Zebango hat sich umsonst bemüht. Die junge, hübsche Tochter des Bürgermeisters wollte Abou ihren Motorroller dieses Mal nur leihen, wenn er sie mit zu seiner Großmutter nach Ouahigouya nähme. Die Ausflüchte Abous (»Die Reise ist ziemlich anstrengend!«, »Dort gibt es absolut nichts zu sehen. Die Stadt ist so gut wie tot!« oder: »Meine Großmutter bekommt nicht gern unangemeldeten Besuch!«) beeindruckten sie nicht. Sie ließ nicht locker.
»Wenn ich nicht mitkommen darf, Abou, leihe ich dir meinen Roller nicht. So ist es nun einmal. Außerdem habe ich Bauchschmerzen, und deine Oma ist eine wackman, nicht wahr? Sie kann mir bestimmt helfen.«
Resigniert hat Abou sich erweichen lassen. Was hätte er auch sonst tun sollen. Er hat kein Fahrzeug zur Verfügung, und sich auf eins der sporadisch verkehrenden öffentlichen Transportmittel zu verlassen wäre zu gewagt, zumal sein Hauptmann ihn eindringlich gewarnt hat: »Gut, Abou, diese Beurlaubung genehmige ich dir noch, aber auch nur, weil du sagst, du bist krank, und deine Großmutter kann dir helfen. Aber wenn du nicht um Punkt sechs Uhr zurück bist, wirst du für acht Tage eingebuchtet.« Krank ist Abou tatsächlich - das Bangré quält ihn. Er kann einfach nicht gegen diesen »Keim des Wissens« ankämpfen, den Hadé in ihn eingepflanzt hat. Es ist wie ein Unwohlsein in seinem Plexus, ein leiser, ziehender Schmerz, der ihn unwiderstehlich zum Haus seiner Großmutter treibt; von Tag zu Tag wird es stärker, bis er ihm irgendwann nicht mehr widerstehen kann - nicht mehr widerstehen darf.
Mit dem Tank voller Ethanol machen sich die beiden jungen Leute auf den mühsamen Weg nach Ouahigouya. Der Harmattan peitscht ihnen ins Gesicht, sie rutschen über sandige Passagen und weichen Dünen und Sandverwehungen aus, die immer häufiger die Straße blockieren. Es sind die Vorboten der großen Sahara, die sich Jahr für Jahr und Kilometer für Kilometer weiter Richtung Süden ausbreitet und die letzten verbrannten Büsche des Sahel verschlingt. Fast schon mit einem Anflug von Gewohnheit fahren sie an den vom Sandwind glatt geschliffenen Autowracks und den sauber abgenagten Skeletten vorüber. Geier kreisen und bewegen die Luft mit ihren großen, schwarzen Flügeln; sie erinnern an arme Seelen, die auf ewig in diese Hölle verdammt worden sind.
Beim Anblick der dem tödlichen Hauch der Wüste ausgesetzten, nur noch von Aasgeiern und knochigen Gespenstern bewohnten Stadt Ouahigouya verliert Félicité endgültig den Mut. Schon jetzt bereut sie, Abou begleitet zu haben. Erst die freundliche Stimmung auf dem Hof Hadés zaubert wieder ein Lächeln auf ihre staubigen, aufgesprungenen Lippen. Der immer noch grüne Tamarindenbaum erscheint hier im Reich des Todes wie das Versprechen einer Wiedergeburt. In seinem Schatten warten Patienten voller Hoffnung, und diejenigen, die den Hof wieder verlassen, sind schon in der Seele geheilt und voller Dankbarkeit. Kinder spielen zwischen den Beinen der Erwachsenen; trotz aller Widrigkeiten erfreuen sie sich ihres Lebens. Bana und Magéné kümmern sich um die Kranken, helfen hier, trösten da, verabreichen Medikamente und Tränke und zeigen den besonders Gläubigen mit ihren rachitischen Hühnern und den Amuletten den Weg zum Fetisch im Hinterhof.
Hadé sitzt auf ihrem Schemel aus Nereholz unter der Tamarinde und hält ihre Sprechstunde ab. Sie kümmert sich um ein schwächliches Baby mit dürren Gliedmaßen und einem von Unterernährung und Würmern aufgetriebenen Bauch, das sie in ihren drallen Armen hält. Die Mutter des Babys kniet vor ihr und betet sie an wie eine Göttin. Mit ihren dicken Fingern tastet Hadé das Baby ab, drückt an bestimmten Stellen und macht geheimnisvolle Handbewegungen über
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