Ödland - Thriller
der Wracks, schleift es einige Meter mit und verliert es mit einem metallischen Kreischen. Die drei Überlebenden, die sich zu Boden geworfen haben, springen auf und eröffnen ihrerseits das Feuer, doch sie schießen schlecht und zu spät. Der Mercedes ist durch. Zwar werden die hinteren Türen ein paarmal getroffen, doch glücklicherweise bleiben die Reifen heil.
Auf der Brücke verlangsamt Rudy die Fahrt. Weder wird er verfolgt noch wird weiter auf ihn geschossen. Wahrscheinlich ist die Munition hier rar, aber dafür sehr teuer. Über die teilweise eingestürzte Brüstung der Brücke hinweg erkennt er den armseligen Zustand des Flusses, der einst Afrikas majestätischster Wasserlauf neben dem Nil war. Kümmerliche Rinnsale sickern zwischen Sandbänken dahin, die Ufervegetation ist karg und grau und wird von Dünen bedroht, die sich bis ins Flussbett vorgearbeitet haben. Skelette von Fischerbooten stecken im Sand fest, aufgeplatzte Pontons überragen den rissigen Boden, und die ehemaligen Anlegestellen sind zu Lagerplätzen verkommen - mehr ist vom Hafen von Gao nicht geblieben.
»Sind wir durch?«, fragt Laurie, die sich vor ihrem Sitz zusammengekauert hat, mit tonloser Stimme.
»Ja. Du kannst wieder rauskommen.«
Eine etwas voreilige Ermutigung, denn am Ende der Brücke steht eine zweite Straßensperre. Als Laurie sie entdeckt, wird sie blass und verkriecht sich wieder in ihrem Versteck. Rudy legt neue Patronen in seine Luger ein, doch er braucht sie nicht. Die Straßensperre ist verlassen. Entweder sind ihre entmutigten Wachen geflüchtet, oder sie ist schon länger unbewacht. Ansonsten zeigt der auf der rechten Flussseite gelegene Teil der Stadt, was bald auch dem linken Ufer widerfahren wird: eine tote Ansammlung von Ruinen, die widerstandslos dem Sand und dem Harmattan ausgeliefert ist. Die Straße durchquert Reihen von Trümmern und baufälligen Häusern; am Straßenrand liegen vertrocknete Abfälle und die allgegenwärtigen Autowracks, Symbole jeglicher Emigrationsträume, die in Staub und Elend zerstoben sind. Dünne Rauchfahnen, die über Mauerreste hinwegschweben, zeigen an, dass sich auch hier immer noch Leben hält; Leben, das von den auf den umliegenden Dächern und Masten hockenden Geiern genau überwacht wird.
Jenseits der letzten verlassenen Slums hat die endlose, leere Wüste wieder das Regiment übernommen. Die Einsamkeit wirkt umso grausamer, als es immer noch Spuren einer Vegetation gibt, die zwar nie üppig war, für die Tuareg jedoch das Versprechen eines Paradieses bedeutete. Heute gibt es nur noch cram-cram, rachitische, halb im Sand erstickte Büsche und tote Baumskelette, die wie anklagende, gekrümmte Finger in den weißen Himmel ragen.
Herzlich willkommen im Sahel!
Heiliger Bund
Nach der katastrophalen Überschwemmung im August 2005 und dem großen Brand im Juli 2023, ganz zu schweigen von den immer stärker werdenden Hurrikans, die Jahr für Jahr über die Region hinwegfegen, wurde New Orleans jetzt von einer weiteren Katastrophe heimgesucht: Ein Virus unbekannter Herkunft hat innerhalb von vierundzwanzig Stunden drei Viertel der schwarzen Bevölkerung im Stadtgebiet getötet - insgesamt etwa eine Million Menschen. Ersten Ermittlungen zufolge handelt es sich um einen terroristischen Anschlag. Es besteht jedoch kein Grund zur Sorge. Eine von BioGen Labs durchgeführte Studie beweist, dass es sich bei dem Virus um einen genetisch veränderten Abkömmling von Anthrax handelt, dessen Lebensdauer extrem kurz ist und der ausschließlich Schwarze befällt. Aus dem Schutz seines Bunkers heraus hat der Bürgermeister von New Orleans, Louis Birotteaux - ebenfalls ein Schwarzer -, eine Ausgangssperre verhängt, für das gesamte Gebiet den Notstand ausgerufen und die Stadt unter Quarantäne gestellt. Unsere Korrespondentin April Garrett ist für CNN nach New Orleans gefahren. Hören Sie ihren Bericht nach einer kurzen Werbeunterbrechung unseres Sponsors BioGen Labs ...
»Ich glaube, Pamela, jetzt bist du wirklich völlig verrückt geworden. Was hast du dir denn dabei gedacht?«
»Findest du es wirklich so schlimm, wenn man armen Menschen und Waisen hilft, wenn man in der Furcht des Herrn und der Nächstenliebe lebt, wie Jesus es uns gelehrt hat, wenn man daran arbeitet, die Werte wiederherzustellen, auf die Amerika sich gründet und die allein die Kraft haben, uns aus der Dekadenz herauszuholen? Wenn das verrückt ist, dann bin ich stolz darauf, verrückt zu sein.«
Anthony Fuller
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