Ödland - Thriller
gleichen Schlussfolgerung gekommen und versucht daher nicht, ihn zurückzuhalten.
Anderthalb Stunden später versteckt Abou den Motorroller hinter einem dicken Baobab in den Hügeln neben der Straße nach Djibo und nimmt seinen Beobachtungsposten vom Vortag wieder ein.
Auf dem Bohrgelände wird wieder gearbeitet, und zwar unter der Aufsicht von Soldaten, die allgegenwärtig zu sein scheinen. Sie sind auf dem Bohrturm, in der Nähe der Zisternen, bei den Pipelines, die in die Stadt führen, vor den Kompressoren, den Baracken für die technische Ausrüstung und in den Arbeiterunterkünften. Die beiden gepanzerten Fahrzeuge - eine Schnellfeuerwaffe und eine Kanone - sind rechts und links vom Eingang positioniert, der Mörser befindet sich vor dem Militärlager. Die Ordonnanzen stehen sich vor der zur Offiziersmesse umfunktionierten Funkerbaracke die Beine in den Bauch. Das muss der neuralgische Punkt sein, denkt Abou. Wenn ich es schaffe, die verräterischen Obersten umzulegen, würde das Bataillon wie ein aufgeregtes Huhn kopflos herumrennen. Dann braucht das 4. Infanterieregiment nur noch zuzuschlagen. Aber wie soll er das anstellen? Und wie soll er überhaupt auf die Baustelle gelangen? Der Eingang ist gut gesichert, und die frisch reparierten und mit Stacheldraht verstärkten Zäune werden ständig bewacht. Wäre es nicht sinnvoller, zu warten, bis die reguläre Armee anrückt, und sich gemäß seinem Dienstgrad einzuordnen? Doch Abou hat große Lust, einmal richtig auf eigene Faust durchzugreifen und den Helden zu spielen, um Lauries Liebe zu gewinnen.
Nachdem er ausgiebig nachgedacht hat, kommt ihm eine Idee. Sie ist verrückt, aber sie könnte funktionieren - vielleicht gerade, weil sie verrückt ist. Und immerhin hat sie schon einmal geklappt. Er geht zurück zu seinem Motorroller, wühlt im Topcase und findet ein schmutziges Tuch, das er sich um den Kopf wickelt. Es ist voller Ölflecke, aber von Weitem sieht es fast wie echt aus.
Die beiden Wachen vor dem Haupteingang sehen einen stotternden Motorroller ankommen, der nicht ganz gerade fährt und von einem erschöpften Soldaten mit einem improvisierten Verband um den Kopf gesteuert wird. Der Kamerad ist sichtlich am Ende seiner Kräfte. Zwar legen sie ihre Gewehre an, weil es der Vorschrift entspricht, doch der Junge auf dem Roller stellt sichtlich keine Gefahr dar. Sie lassen ihn absteigen und sich nähern, bleiben aber vorsichtig. Mit gesenktem Kopf zieht er das Bein nach.
»Grüßt euch, Freunde«, sagt er mit rauer, müder Stimme. »Ich komme aus Ouaga und habe eine Nachricht für euren Kommandanten.«
»Für Hauptmann Balima?«, erkundigt sich einer der Wachleute.
»Äh ... ja, das ist er wohl. Wo kann ich ihn finden?«
»Komm mit.«
Der Wachhabende hängt sein Gewehr über die Schulter und begleitet Abou zur Fernmeldebaracke.
»In Ouaga scheint ganz schön die Post abzugehen, was?«, erkundigt er sich unterwegs.
»Es ist die Hölle. Die anderen belagern uns und stören unsere Fernmeldeanlagen. Nur mit Müh und Not ist es mir gelungen, mich durchzuschlagen, um die Meldung zu überbringen.«
»Ach, deswegen bekommen wir also keine Nachrichten! Allerdings besitzt mein Neffe Ernest ein Radio. Angeblich soll der Putsch gescheitert sein. Ist das wahr?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls kämpfen wir wie die Löwen.«
»Glaubst du, dass wir hier auch kämpfen müssen?«
»Schon möglich.«
»Scheiße!« Der Wachmann verzieht das Gesicht.
Dann wendet er sich an die Ordonnanzen vor der Fernmeldebaracke.
»Ist Hauptmann Balima hier?«
»Ja, aber er ist im Gespräch. Worum geht es?«
Der Soldat zeigt auf Abou.
»Eine Nachricht aus Ouaga.«
Die Ordonnanz klopft an die Metalltür, öffnet sie und streckt den Kopf hinein.
»Herr Hauptmann, hier ist ein Bote aus Ouaga.«
»Ach ja? Lassen Sie ihn eintreten.«
Die Ordonnanz tritt zur Seite, um Abou einzulassen. In dem kleinen Raum, der trotz eines nach Norden geöffneten Fensters stickig heiß ist, befinden sich drei Personen: Hauptmann Balima, der sich über Moussas Computer beugt, ein Leutnant, der mit einem Funkgerät kämpft, und ein anderer, der gerade ein Feldtelefon installiert. Niemand achtet auf Abou, der die Situation ausnutzt und klammheimlich die Tür der Baracke verriegelt.
»Es will einfach nicht funktionieren, Herr Hauptmann«, jammert der Untergebene, der das Telefon zu installieren versucht. »Ich bekomme keine Verbindung.«
Balima, ein dicker Kerl, reißt seine Augen vom Bildschirm
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