Ödland - Thriller
Schlechtes zu tun. Wenn du jetzt aufhörst, Abou, wird genau das geschehen. Wenn du aber anfängst, Schlechtes zu tun, wirst du dein eigenes Leben damit zerstören.«
»Aber ich habe bestimmt nicht die Absicht...«
»Unterbrich mich nicht. Wenn du dich zu einer Militärkarriere zwingst, wirst du Menschen töten müssen. Du hast so etwas schon getan, nicht wahr? Menschen zu töten vermehrt die bösen und negativen Kräfte. Es nährt und stärkt den Feind. Es wird dich vereinnahmen, Abou, und du wirst sein Sklave werden. Von nun an kannst du dich nicht mehr zurückziehen, alles vergessen und so tun, als ob nichts gewesen wäre. Dazu ist es zu spät.«
»Was du da sagst, macht mir Angst, Großmutter«, gesteht Abou mit zitternder Stimme.
»Das hoffe ich sogar. Wenn du nämlich keine Angst hättest, wärst du entweder dumm oder ahnungslos. Allerdings darf die Angst dich nicht daran hindern, tätig zu werden, deinen Fehler wiedergutzumachen und die bösen Kräfte daran zu hindern, sich weiter in der Welt zu verbreiten.«
»Aber was soll ich tun?«
»Das musst du ganz allein herausfinden. Du kennst die Kraft und weißt, wo sie herkommt. Wenn du es vergessen hast, solltest du dich anstrengen, dass die Erinnerung zurückkehrt. Und bitte deinen Freund Rudy, dir dabei zu helfen. Auch er steht unter dem Einfluss, ist aber nicht so sensibel wie du. Er kann seinen Geist verschließen und kämpfen. Du hingegen musst deinen Geist öffnen und dich für die positiven Kräfte empfänglich zeigen.« Hadé unterbricht sich. Ihre Augen schweifen kurz ins Leere ab. Schließlich nickt sie und fährt fort: »Ja, ihr beide gemeinsam, ihr könnt es schaffen...«
»Was denn, Großmutter?«
»Den Feind zu töten.«
»Aber gerade hast du noch gesagt, dass man nicht töten soll...«
»Nein, Menschen soll man auch nicht töten. Übrigens auch keine Tiere. Doch dieser Feind ... er ist kein Mensch. Er ist auch nicht der Geist eines Toten. Er ist etwas Schädliches, das man zerstören muss. Er ist eine Kraft des Chaos.«
»Ich weiß, wer er ist«, erklärt Abou stolz. »Fuller hat Rudy und mir von ihm erzählt. Er heißt Tony. Tony Junior.«
Tatsächlich hat Fuller von ihm gesprochen, während sie ihn durch die Elendsviertel führten. Er wollte sie beschwichtigen und ihr Mitleid erwecken, indem er sein gescheitertes Leben vor ihnen ausbreitete: die schwierige Scheidung von seiner Frau, die einer apokalyptischen Sekte namens »Göttliche Legion« angehört, welche Rudy offenbar bekannt ist; sein von Zipzap und Maya abhängiger Sohn, der von Outers getötet wurde und dessen Gespenst ihn immer noch verfolgte; sein jüngster Spross, ein missglückter, an Progeria leidender Klon, der ungute Schwingungen um sich verbreitete - zumindest verspürte Fuller solche - und für den sich die Göttliche Legion interessierte, weil er laut Pamela im Besitz der göttlichen Gnade sein sollte ...
»Von wegen göttliche Gnade«, schimpfte Fuller. »Ich halte Tony für ebenso krank und schädlich wie diese Spinner. Gleich und gleich gesellt sich eben gern ... Es wundert mich nicht im Geringsten, dass dieser gemeingefährliche Irre Callaghan den wiedergeborenen Jesus in ihm sieht. Meine Fresse! Wenn Jesus wirklich so ist, dann werden wir tatsächlich vom Satan regiert, wie die Juden glauben. Wir haben die Hölle noch nicht verlassen ...«
Rudy hörte nur mit einem Ohr hin, doch in Abou weckte Fullers Rede düstere Vorahnungen, denen er allerdings nicht sofort auf den Grund ging. Jetzt weiß er, dass dies ein gravierender Fehler war. Hätte er besser nachgedacht, hätte er verstanden, dass Tony Junior nicht der Verbündete seines Vaters, sondern sein Gegner war. Und nun hat Hadé ihm auch noch gezeigt, dass er nicht mehr den Kopf in den Sand stecken kann, weil er durch seine Blindheit mitschuldig geworden ist. Er hat den bösen Kräften geholfen und muss jetzt versuchen zu retten, was zu retten ist - allerdings mit anderen Waffen als seiner Uzi. Es geht ja auch nicht mehr nur darum, seinen Bruder aus der Hand der Terroristen zu befreien, sondern darum, die Welt vor dem drohenden Chaos und gleichzeitig sein eigenes Leben zu schützen.
»Ich sehe, dass du zu verstehen beginnst«, lächelt Hade. Ihr Zorn ist verraucht.
»Wie es aussieht, bleibt mir keine Wahl...«
»Nein, mein Sohn, dir bleibt keine Wahl.«
Nicht ganz mühelos erhebt sich Hadé aus ihrem Sessel. Sie scheint sehr müde zu sein. Als sie aufrecht steht, zieht sie ihren Boubou zurecht und setzt
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