Öffne deine Seele (German Edition)
mit der Suche beschäftigt: Schon auf der Rückfahrt von den Schwarzen Bergen hatte er mit Jens Bertram telefoniert und auch die Termine für den Nachmittag abgesagt.
Für gewöhnlich war es ihm gleichgültig, was sein Juniorpartner von ihm dachte, doch schon die Tatsache, dass er überhaupt einen Gedanken an Bertrams Reaktion verschwendet hatte, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Es musste mit Hannah zusammenhängen.
Gefühle.
Irgendwie hing alles mit Hannah zusammen.
Dass er Dennis überhaupt so lange hatte gewähren lassen, geschah aus dem einzigen Grund, dass er sich in Wahrheit längst zu einem Vorgehen entschlossen hatte.
Er konnte nur hoffen, dass er sich nicht täuschte. Denn falls es doch so war, blieb tatsächlich nichts anderes mehr als das PK Königstraße.
Wenn sie die Ermittler nun aber die entscheidenden Stunden zu spät alarmierten …
Merz war sich nicht sicher, ob er damit würde umgehen können.
Er sah auf die Uhr.
«Dann sollten wir uns allmählich auf den Weg machen.»
Dennis reagierte nicht. Ungefähr fünf Sekunden lang.
Dann ließ er wie in Zeitlupe die Arme auf den Tisch sinken und sah den Anwalt blinzelnd an.
Joachim Merz konnte einiges ertragen. Lethargie gehörte nicht dazu. Begriffsstutzigkeit genauso wenig.
Davon allerdings abgesehen war er dankbar für die Gelegenheit, vollständig umschalten zu können.
«Möglich, dass Marius heute Morgen ein wenig indisponiert war», erklärte er mit übertriebener Geduld. «Nach dem Unwetter und der Sonderschicht für all seine Freunde, die die Angst vor Blitz und Donner plagt. Wobei ich vermute, dass er in Wahrheit einfach nicht gerne früh aufsteht. In anderthalb Stunden aber geht er auf Sendung, und in den zwei Jahren, die ich ihn kenne, hat er noch keine Ausgabe von Second Chance verpasst. Und die Zufahrt sollte inzwischen auch geräumt sein.»
Er hob die Hand und hielt Ausschau nach der Kellnerin.
Als sie ihn sah, änderte sie auf der Stelle die Richtung und kam zu ihrem Tisch. Er kannte es nicht anders.
Doch es war beruhigend zu erleben, dass der Mechanismus auch dann funktionierte, wenn sein halbes Gesicht mit Verbandmull zugekleistert war.
«Aber …»
Dennis verstummte, als die junge Frau an den Tisch trat. Merz schlug zwanzig Prozent auf die Rechnung auf und zahlte mit einem Lächeln.
«Und was soll das bringen?», zischte Dennis, kaum dass sie außer Hörweite war. «Gut, Sie haben Hannah unten an der Schranke gesehen, aber offenbar hat sie ja kehrtgemacht, bevor sie …»
Seufzend steckte Merz sein Portemonnaie ein. «Phantasielos, dass es weh tut. Richtig, Sören behauptet, sie nicht gesehen zu haben. Es ist möglich, dass er sogar die Wahrheit sagt. Schließlich hatte er genug um die Ohren, als ich gefahren bin: das Gebäude auf den Sturm vorbereiten, Unterkünfte für die Unterstützer organisieren … Genauso gut ist es allerdings möglich, dass er lügt, ob aus eigenem Antrieb oder weil ihn jemand dazu angewiesen hat. Doch so oder so: Ich weiß, dass Hannah unterwegs war, um in diesem Haus ein Gespräch zu führen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es jedenfalls nicht mit Freund Sören führen wollte. Und sind Sie schon einmal auf die Idee gekommen, dass Hannah sich vielleicht telefonisch auf dem Anwesen gemeldet haben könnte? Gestern Abend waren die Verbindungen schließlich noch intakt. – Tausend Möglichkeiten.»
Wie in Zeitlupe richtete sich Dennis aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf.
«Also kommen Sie mit?», fragte Merz. «Oder muss ich mir einen Chauffeur rufen?»
***
«Paragraph 46b St GB .» Staatsanwalt Ludvig van Straaten schob sich die Brille auf der Nase zurecht und betrachtete die Männer, die sich um seinen Tisch versammelt hatten. «Die Kronzeugenregelung.»
Albrecht hatte die Arbeit mit van Straaten schon immer als angenehm empfunden. Sie dachten ähnlich, hatten eine vergleichbare Auffassung von Wahrheit.
Nicht immer war das Strafgesetzbuch in der Lage, die Verhältnisse von Wahrheit und Unwahrheit, von Recht und Unrecht vollständig abzubilden.
Zu oft hatte der Hauptkommissar erlebt, dass Angeklagte, an deren Schuld weder für ihn noch für das Gericht der geringste Zweifel bestand, den Gerichtssaal als freie Männer verlassen hatten. Das Rechtssystem wollte nicht ausschließlich strafen. Vielmehr gab es dem Angeklagten tausend Möglichkeiten an die Hand, mit den größten Schweinereien auf dem Kerbholz ungeschoren davonzukommen.
In diesen Momenten schlug van
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