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Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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zerbeißen? Was ist es, das dir in deinem Leben so schrecklich fehlt?»
    ***
    Kälte durchrieselt meinen Körper.
    Was ist es, das dir in deinem Leben so schrecklich fehlt?
    Ich beiße die Zähne zusammen.
    Hunderttausende von Menschen vor den Fernsehern. Nein, eineinhalb Millionen hat Folkmar gesagt, Tendenz steigend.
    Menschen, die mich kennen. Alte Schulfreundinnen, Nachbarn in Seevetal, die Verkäuferin in der Bäckerei und der Postbote.
    Und meine Eltern.
    Ich spüre neue Tränen in meinen Augen und versuche sie zurückzuzwingen.
    Ich weiß , dass meine Eltern in diesem Moment vor dem Fernseher sitzen und gehört haben, wie ich über sie gesprochen habe.
    Oder was Marius aus meinen Worten gemacht hat.
    Wie er die Wahrheit erfasst hat. Zumindest den größten Teil von ihr.
    Mein Vater ist immer ein Mann gewesen, dem die Familie alles bedeutet hat. Er hat dieser Familie, meiner Mutter und mir, etwas bieten wollen: das Häuschen in Escheburg vor allem, in einer sehr viel besseren Gegend, als sich ein kleiner Bahnangestellter eigentlich leisten konnte – solange er sich nicht fast mit Gewalt um jede Überstunde riss.
    Ja, mein Vater hat einfach nur für seine Familie leben wollen. Und doch habe ich ihn als Kind fast nie zu Gesicht bekommen.
    Ist das der Grund, aus dem ich Kriminalpolizistin geworden bin?
    Nein. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
    Es ist Marius’ neue Frage, die ins Zentrum zielt.
    Was ist es, das dir in deinem Leben so schrecklich fehlt?
    Ich kann diese Frage nicht beantworten.
    Denn nicht nur meine Eltern hören mir zu.
    Dennis sitzt mit im Studio.
    Aus dem Fernseher, von dem ich weiß, dass er nur wenige Schritte vor mir steht, dringt in diesen Sekunden nur Gemurmel, doch ich glaube seinen Blick zu spüren, der bis in …
    Ja, der bis in meine Seele dringt.
    Nein, ich kann nicht antworten.
    «Hannah?» Das ist wieder Marius. «Kannst du mich hören?»
    Meine Kiefer pressen sich aufeinander.
    Ich muss etwas sagen. Solange ich rede, bleibe ich am Leben.
    Doch Marius wird spüren, wenn ich Ausflüchte mache. Justus wird es spüren.
    Doch die Wahrheit …
    Ich höre ein Klirren. Schmerzhaft. Metall auf Metall.
    Es ist nicht aus den Lautsprechern gekommen.
    Er ist hier!
    «Du musst zugeben, Meister, dass Hannah ihre Chance gehabt hat.»
    Ich erstarre.
    Die kalte, maschinenhafte Stimme, die keine Stimme ist, doch dazu nun ein anderes Geräusch, leise, kaum zu hören.
    Tippen. Finger, die eine Tastatur bedienen.
    Hat mein benebelter Kopf diese Laute bisher einfach nicht wahrgenommen? Hat sich Justus bis eben in einem Nebenraum aufgehalten?
    Das spielt keine Rolle.
    Es ist das andere Geräusch, das Geräusch, das ich kurz vorher gehört habe, das meine Glieder zu Eis erstarren lässt.
    Metall auf Metall: ein Gegenstand, der auf einem Stahltablett bereitgelegt wird.
    Martin Euler hat sich nicht festlegen wollen, wie das Werkzeug ausgesehen hat, das durch Falk Sieverstedts Augenhöhle ins Innere seines Schädels gedrungen ist. Es könnte ein Schraubenzieher gewesen sein, hat Albrecht erzählt, eine Art Eispickel, oder oder oder …
    In diesem Moment ist dieses Werkzeug nur noch wenige Meter von mir entfernt.
    «Ich muss sagen, dass mir deine Voreiligkeit immer weniger gefällt, mein lieber Justus», ertönt Marius’ Stimme aus dem Lautsprecher. Klingt sie wie immer, oder ist jetzt etwas anderes dabei, ein Zittern, eine Spur von Hektik? «Ich habe nicht den Eindruck, dass du beurteilen kannst, ob Hannah überhaupt in der Verfassung ist, meine Frage zu beantworten. Ob sie auch nur bei Bewusstsein …»
    Der Schmerz kommt völlig unvorbereitet.
    Grell, schrill, blind machend.
    Wie zwei glühende Stricknadeln, die von links und rechts in meine Schläfen gestoßen werden.
    Ich bäume mich auf, ein Schrei entfährt meiner Kehle. Doch im selben Moment ist es schon wieder vorbei.
    Mein Atem geht stoßweise, Schweiß steht auf meiner Stirn.
    «Nur zum Verständnis, Meister: Es hat sich soeben um keinen neuen Anreiz gehandelt, sondern um eine Demonstration. Wie wir feststellen, ist unsere Freundin Hannah durchaus bei Bewusstsein.»
    Ich höre das Tippen jetzt deutlicher. Er muss näher an mich herangekommen sein.
    Dieses Tippen: Ist das sein Sprechen, seine Stimme?
    Der Eindruck einer Bewegung.
    Und im selben Moment presse ich die Lider zusammen.
    Licht, grelles Licht, das sich in meinen Kopf brennt.
    Er hat mir die Binde von den Augen gerissen.
    Justus’ Stimme dringt wie durch einen Nebel zu mir:

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