Öffne deine Seele (German Edition)
hatte mit Vorurteilen gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe zu kämpfen. Und so weiter.
Helena?
War das nicht die Frau gewesen, um deretwillen sich die alten Griechen vor den Toren von Troja gegenseitig abgeschlachtet hatten?
Helena – eine Frau zwischen zwei Männern.
Dennis und Joachim Merz?
Nein. Ich schüttelte mich. Unmöglich. Ich war jeden Augenblick auf der Hut gewesen. Er konnte nicht die richtigen Schlüsse gezogen haben.
Und ich konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Marius sprach schon weiter.
«Helena ist von der Hamburger Kripo. Helena ist noch keine Freundin», betonte der Moderator.
Der Augenblick war so intensiv: Ich glaubte es förmlich zu hören, das hunderttausendfache, enttäuschte bis missbilligende Ooooooooooooh! vor den Fernsehern.
«Aber ihr wisst genau, dass die meisten Freunde noch Fremde sind, wenn wir sie kennenlernen.» Eine Spur Rüge in der Stimme. «Wenn wir ihr eine Chance geben, kann sie vielleicht eine Freundin werden. Guten Abend, Helena.»
«Gu…» Ich verschluckte mich. «Guten Abend.»
«Helena, ich danke Ihnen, dass Sie heute Abend gekommen sind.»
Ich hatte den Mund schon geöffnet, um mich für die Einladung zu bedanken.
Entschlossen klappte ich ihn wieder zu.
Ein paar Grenzen gab es doch.
«Helena, Sie sind hergekommen, weil Sie erfahren möchten, wie wir Felix erlebt haben. Sie möchten – wie wir – begreifen, wie es sein kann, dass unser Freund Felix, der sich so tapfer seinen Dämonen gestellt hat, jetzt nicht mehr am Leben ist.»
Irgendjemand hat ihn gefesselt, dachte ich, und in einem Bassin im Volkspark jämmerlich ersaufen lassen.
An sich wollte ich nur wissen, wer und warum .
«Ich erinnere mich an mein erstes Gespräch mit Felix.» Marius’ Hände lagen wieder flach nebeneinander. Aus den Sendungen wusste ich, dass er in solchen Momenten, bei Freunden, die zum wiederholten Mal anriefen, Notizen zu Hilfe nahm.
Aber das war unnötig dieses Mal. Er hatte alle Zeit der Welt gehabt, sich vorzubereiten.
«Mir war auf der Stelle klar, dass ich mit einem zutiefst unglücklichen Menschen sprach», murmelte Marius. «Mit jemandem, der Dinge besaß, von denen wir als gewöhnliche Menschen nicht einmal träumen können …»
Eine Villa zum Beispiel, dachte ich. Und einen ganzen Hofstaat, der ihm jeden Wunsch von den Augen ablas.
Nein, gewöhnliche Menschen hatten das nicht.
Falk Sieverstedt schon.
Marius selbst allerdings ganz genauso.
«… aber der eben doch nach dem Entscheidenden, dem, was wirklich wichtig ist, verzweifelt suchte: Liebe. Verständnis. Menschen, die verstehen konnten, worauf es ihm wirklich ankam.»
Eine winzige Pause, bevor die Hände sich wieder umdrehten, die Handflächen nach oben.
«Freunde.»
«Sie haben … Felix niemals persönlich getroffen», sagte ich. «Das ist doch richtig?»
«Das ist richtig.» Die Hände blieben in Position. «Doch das ist auch nicht unbedingt notwendig für eine Freundschaft. Felix hat mich angerufen, weil er gespürt hat, dass er mir vertrauen kann. Dieses Vertrauen, Helena, ist das entscheidende Element in einer Freundschaft: rückhaltloses Vertrauen. Ein Freund ist ein Mensch, dem wir erlauben, bis auf den Grund unserer Seele zu blicken. Haben Sie selbst solche Freunde?»
Ich blinzelte. «Ein paar», sagte ich. «Wenige. Und für Felix waren Sie so ein Freund?»
Marius legte den Kopf nachdenklich auf die eine, dann auf die andere Seite.
Ich musste an Yvette denken und fragte mich, wie gut Falk sie eigentlich gekannt hatte. Ihr hätte er vertrauen können.
Stattdessen hatte er Marius angerufen.
«Wir alle haben Träume», sagte der Moderator und drehte den Kopf ein Stück, nur eine Winzigkeit, aber deutlich genug, dass mir klarwurde, dass er nicht mehr die Kamera, sondern mich ansah. «Doch die meisten von uns scheuen davor zurück, ihre Träume in Erfüllung gehen zu lassen, obwohl es doch einzig und allein in ihrer Hand liegt, ob sie Wahrheit werden. Felix zum Beispiel war todunglücklich. Die Dinge, die er im Überfluss besaß, haben ihm nichts bedeutet. Und doch war er nicht imstande, sie aufzugeben für das, was ihm wirklich etwas bedeutete.»
«Ein Künstler zu sein.»
«In seinem Fall. Ja. Allerdings nicht allein. Es war wohl mehr eine bestimmte Art zu leben. Ein Künstlerleben.»
«Die wenigsten Künstler wohnen in einer Villa und haben ein eigenes Segelboot», murmelte ich, biss mir aber im nächsten Moment auf die Lippen.
Das war hart an der Grenze, die
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